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JURIDICA INTERNATIONAL. LAW REVIEW. UNIVERSITY OF TARTU (1632)

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The Law of Obligations: Developments in Estonia and in Europe

XX/2013
ISBN 978-9985-870-32-7

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Freiwilligkeit – gleichzeitig der Eckstein und der Stolperstein bei der Behandlung des Rücktritts vom Versuch: Die Bestimmung des Begriffes der Freiwilligkeit und die Abgrenzung vom misslungenen Versuch

1. Freiwilligkeit als Voraussetzung und Begründung des Rücktritts vom Versuch

Die Frage nach dem freien Willen des Menschen hat den Philosophen und den Psychologen schon seit der Entstehung dieser Disziplinen Untersuchungsmaterial geliefert. Man hat es nicht fertiggebracht, eine eindeutige Antwort zu finden, ob und inwieweit die Entscheidungen und das Verhalten eines Menschen seinen freien Willen ausdrücken oder von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst sind. Das Strafrecht lässt den Disput zwischen dem Determinismus und dem Indeterminismus beiseite, weil keines von den beiden beweisbar ist. Man geht von der Voraussetzung aus, dass das Verhalten eines Menschen zwar von den von ihm unabhängigen Faktoren wie Instinkte, Herkunft, Charakter, Aufbringung, Fähigkeiten usw. beeinflusst ist, der Mensch jedoch imstande ist, die Wirkung dieser Faktoren einzuschätzen und sein Verhalten zu kontrollieren. *1 Der Mensch hat also die Möglichkeit zu entscheiden, eine Straftat zu begehen oder nicht. Tatsächlich wird dem normativen Schuldbegriff zufolge dem Täter vorgeworfen, eine Entscheidung zugunsten des Unrechts getroffen zu haben, obwohl er die Möglichkeit hatte, das rechtmäßige Verhalten zu wählen.

Außer der Thematik des strafrechtlichen Schuldbegriffes ist die Freiwilligkeit eine Voraussetzung des Rücktritts von versuchter Straftat. Gemäß § 40 (3) StGB Estlands (eStGB) ist der Täter schuldfrei, wenn er freiwillig von dem Versuch einer Straftat zurücktritt. Freiwilligkeit als die Voraussetzung des Rücktritts vom Versuch ist auch in Strafgesetzbüchern anderer Staaten, z.B. Deutschlands *2 , Österreichs *3 und Finnlands *4 vorgeschrieben. Anders als in der Regulation Estlands wird in jenen europäischen Staaten der freiwillige Rücktritt vom Versuch nicht als Schuldausschließungsgrund, sondern als Straflosigkeitsgrund betrachtet.

Der Unterschied zwischen den Rücktrittsregulationen Estlands und anderer Staaten beeinflusst auch die Bedeutung der Freiwilligkeit als eines von den Rücktrittsmerkmalen. Die Freiwilligkeit charakterisiert den Entscheidungsprozess des Täters, dessen Ergebnis der Entschluss ist, die Straftat nicht zu Ende zu führen. Die Freiwilligkeit ist das Element, das dem Rücktritt die relevante Dimension gibt, ihn zum Täter verbindet und dadurch zeigt, warum es angebracht ist, beim Rücktritt vom Versuch gegenüber dem Täter mildere Rechtsfolgen anzuwenden.

Bei der Betrachtung des Rücktritts vom Versuch als Schuldausschließungsgrund, so wie das estnische Strafgesetzbuch es tut, ergibt die Freiwilligkeit eine Grundlage, von der Erhebung eines Schuldvorwurfs gegen den Täter abzusehen. Wenn beim Begehen einer versuchten Straftat dem Täter vorgeworfen wird, dass er sich für das Unrecht entschieden hat, zeigt der Täter beim feiwilligen Rücktritt, dass er trotz seines unsprünglichen Entschlusses, den rechtswidrigen Weg zu wählen, noch vor einer Schädigung des Rechtsgutes zum Erkenntnis gelang, dass er die Straftat nicht vollzubringen wünscht, und das rechtmäßige Verhalten anstatt des rechtswidrigen wählte.

Im Strafrecht von Deutschland und anderer Staaten, wo der freiwillige Rücktritt als ein Straflosigkeitsgrund gilt, weist die Freiwilligkeit darauf hin, dass beim Täter die Strafzwecke erfüllt worden sind. Verwirklicht hat sich der späzialpräventive Zweck der Strafe, denn mit dem freiwilligen Verzicht auf die Vollendung der Tat hat der Täter gezeigt, dass er in seinem Verhalten von gültigen Rechtsnormen ausgeht und das Abweichen von denselben vermeidet. Genauso erfüllt ist der Zweck positiver Generalprävention: mit seinem freiwilligen Rücktritt zeigt der Täter, dass die Normen gelten und dass dem Rechtsgut schadendes Verhalten falsch ist, und dadurch wird das Vertrauen der Gemeinschaft in die Rechtsnormen bestätigt. *5

2. Problemstellung

Gemäß der Formulierung in § 40 (3) eStGB liegt ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch dann vor, wenn gemäß der Vorstellung des Täters der Erfolg einer Straftat noch eintreten kann, der Täter sich aber ohne den Zwang den von ihm unabhängigen Umständen entscheidet, auf die Vollendung der Straftat zu verzichten. Die Voraussetzung der Freiwilligkeit ist gemäß eStGB die Möglichkeit der Tatvollendung. Durch dieses Kriterium ist in der Strafrechtstheorie der misslungene Versuch definiert. Um einen misslungenen Versuch handelt es sich dann, wenn der Täter die Sinnlosigkeit, die Zwecklosigkeit weiterer Handlungen einsieht. Der Versuch kann misslingen entweder weil die Fortsetzung der Tat unmöglich und der Taterfolg damit unerreichbar ist, oder weil es zwar möglich ist, die Tat fortzusetzen, das zu erzielende Ergebnis jedoch im Vergleich zum erhofften Ergebnis unbedeutend ist. *6 Gemäß der h.M. in der Strafrechtsdogmatik ist es nicht möglich, vom misslungenen Versuch zurückzutreten, weswegen auch die Frage der Freiwilligkeit nicht aufkommt. *7 Bei der Ermittlung der Möglichkeit der Tatvollendung soll gemäß eStGB festgestellt werden, ob die Entscheidung des Täters erzwungen war und somit die Freiwilligkeit ausgeschlossen ist. Vorgreifend kann man konstatieren, dass sich in der Strafrechtsdogmatik keine klare Antwort zur Bestimmung der die Freiwilligkeit definierenden Umstände findet.

Der Zweck des vorliegenden Artikels ist es, die Definitionskriterien der Freiwilligkeit als eines Elements der Rücktritt vom Versuch zu analysieren und den Rücktritt vom misslungenen Versuch abzugrenzen. Ebenso wird untersucht, ob und inwieweit die Bestimmung des Freiwilligkeitsbegriffes dadurch beeinflusst wird, ob man den Rücktritt als Schuldausschließungsgrund oder Straflosigkeitsgrund betrachtet.

3. Dogmatische Lösungen für die Bestimmung des Freiwilligkeitbegriffes

In der Strafrechtstheorie gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen von der Feststellung der Freiwilligkeit – normative und psychologische.

3.1. Die psychologische Auffassung – der Täter ist „der Herr seiner Entscheidung”

Gemäß der psychologischen Auffassung muss man empirisch die Einstellung des Täters zu seiner Tat und zur Möglichkeit deren Vollendung feststellen. Die Freiwilligkeit bedeutet die Entscheidungsfreiheit des Menschen: der Täter erkennt, dass es möglich ist, die Straftat zu Ende zu führen, entschließt sich aber, es doch nicht zu tun. Der Täter erkennt, dass er der „Herrscher” seiner Entscheidung ist. Die Inhalt, Löblichkeit und Verwerflichkeit des Rücktrittsmotivs sind irrelevant, denn die Rücktrittsentscheidung des Täters wird nicht beurteilt.

Nach der „Frank-Regel”, genannt nach ihrem Autor, ist bei der Prüfung der Freiwilligkeit festzustellen, ob der Täter seiner Vorstellung nach die Möglichkeit hatte, den Tatbestand zu verwirklichen oder nicht. Beim unfreiwilligen Rücktritt dagegen wünscht der Täter den Taterfolg zu erreichen, dies ist aber nicht möglich. *8 In der Rechtsliteratur wird dieser Auffassung jedoch vorgeworfen, dass mit Hilfe dieses Merkmals nicht die Freiwilligkeit, sondern der misslungene Versuch geprüft wird. *9 Nämlich setzt die Freiwilligkeit voraus, dass die Vollendung der Tat möglich ist, der Täter aber gerade in jener Situation sich entschließt, umzudenken.

Nach der psychologischen Auffassung von Willensfreiheit wird die Freiwilligkeit auch als Quasi-Unmöglichkeit der Ausführung bezeichnet. Um einen misslungenen Versuch handelt es sich dann, wenn der Täter wegen äußerer Umstände oder psychischer oder physischer Faktoren nicht imstande ist, die Tat zu vollenden. Um die Quasi-Unmöglichkeit, die Tat zu Ende zu führen, und damit um die Unfreiwilligkeit handelt es sich dann, wenn die Handlungsunfähigkeit des Täters nicht von den sich ergebenden Umständen verursacht ist, sondern er findet, dass die Vollendung der Tat nicht sinnvoll ist. Die Sinnvölligkeit der Tatvollendung wird geprüft aufgrund des Umstandes, ob es für den Täter gemäß der normalen Lebenserfahrung noch vernünftig und zweckmäßig ist, den Taterfolg anzustreben oder nicht. Auch die Anwendung dieser Methode verstrickt sich in Schwierigkeiten, weil es unklar bleibt, wie man die Vernünftigkeit und die Zweckmäßigkeit der Tatvollendung feststellen sollte. *10

H. Schröder hat versucht, die Willensfreiheit durch die Motive zu erklären, die die Entscheidung des Täters beeinflussen. Die Entscheidung eines Menschen ist dann freiwillig, wenn sie von autonomen Motiven, d.h. nicht von Umständen, die die Straftat objektiv verhindern oder unmöglich machen, bedingt ist. Unfreiwillig ist die Entscheidung des Täters im Fall heteronomer Motiven, d.h. wenn der Täter gezwungen war, die Vollendung der Tat zu unterlassen. *11 Diese Erklärung ist zwar mit der im Strafgesetzbuch verwendeten Formulierung im Einklang, gibt aber keine konkrete Zusatzkriterien zur Prüfung der Willensfreiheit. Trotzdem hat die deutsche Gerichtspraxis die Unterscheidung der Entscheidung des Täters unterliegenden autonomer und heteronomer Motiven als den Ausgangspunkt der Prüfung der Willensfreiheit angenommen.

Zusammenfassend kann man konstatieren, dass die psychologische Betrachtungsweise der Willensfreiheit zwar im Einklang mit der Formulierung des Strafgesetzbuches ist, es aber schwer zu bestimmen ist, was die Freiwilligkeit genauer bedeutet und wie sie in der Praxis geprüft werden soll, weil der Entscheidungsprozess des Täters und die Umstände, die ihn beeinflussen, empirisch schwer zu ermitteln sind. Eben deshalb wird der psychologischen Theorie in der Rechtsliteratur das Folgende vorgeworfen: da es häufig fast unmöglich ist, die Freiwilligkeit der Entscheidung des Täters festzustellen, wird der Urteil von der Perspektive des sog. vernünftigen Durchschnittsmenschen gefällt, womit die empirische Prüfung oft eine bloße Fiktion bleibt. *12 In der Strafrechtsliteratur hat man die Meinung geäußert, dass bei der Prüfung der Freiwilligkeit neben psychologischen Kriterien auch normative zu berücksichtigen sind. *13 Obwohl das deutsche Bundesgerichtshof den Standpunkt vertritt, dass die Ethik des Rücktrittsmotivs bei der Prüfung der Freiwilligkeit keine Bedeutung hat, muss man bei der Prüfung der der Rücktrittsentscheidung der Täters unterliegenden Umständen feststellen, ob es für ihn in der konkreten Situation vernünftig war, die Ausführung der Tat fortzusetzen oder nicht. *14 Diese Auffassung beinhaltet eine beurteilende, nicht bloß eine empirische Dimension.

Zusätzlich ist die psychologische Auffassung der Willensfreiheit deswegen kritisiert worden, weil sie mit den Begründungstheorien des Rücktritts unvereinbar ist, und das vor Allem im Kontext der Strafzweckstheorie, die besagt, dass der Täter mit dem Rücktritt vom Versuch zeigt, dass bei ihm die Strafzwecke erfüllt sind. *15 Das Kriterium der Freiwilligkeit ist gemäß der psychologischen Theorie auch dann erfüllt, wenn der Täter sich entschließt, auf eine Straftat zu verzichten, um eine schwerere zu begehen, denn die Inhalt und Löblichkeit oder Verwerflichkeit des Rücktrittsmotivs hat keine Bedeutung. Im vorher genannten Fall ist es sehr schwer, zu behaupten, dass bei dem Täter die Strafzwecke erfüllt sind, denn er hat ja seine Bereitschaft gezeigt, rechtswidriges Verhalten durch Begehung von Straftaten fortzusetzen. Bei der Betrachtung des Rücktritts als Schuldausschließungsgrund entsteht so ein Problem aber nicht, denn auf der dritten Prüfungsebene „Schuld” der Deliktstruktur geht es um die Frage, ob es gerecht ist, dem Täter den konkreten Straftatversuch vorzuwerfen oder nicht. In solchem Fall ist nur die Entscheidung des Täters bezüglich der konkreten Tat wichtig – die Entscheidung, die Schädigung des Rechtsgutes zu Ende zu führen oder nicht. Das darauffolgende Verhalten des Täters und der Einklang der diesem unterliegenden Motive mit der Rechtsordnung haben keine Bedeutung, denn sie gehören nicht zu den Prüfungsobjekten der Schuldebene des Deliktstrukturs.

3.2. Die normative Konzeption der Willensfreiheit – die Rückkehr auf den „Zug des Rechts”

Gemäß normativer Auffassung wird die Willensfreiheit durch eine Beurteilung geprüft, ob der Täter zum gesetzestreuen Verhalten zurückgekehrt ist. Zur Prüfung der Freiwilligkeit des Rücktritts muss der Motiv des Täters, weswegen er die Straftat nicht zu Ende führte, festgestellt werden. R. Schmidt hat es folgenderweise zusammengefasst: „Der Umstand, der den Täter veranlasste, den Versuch der Straftat zu beginnen, war sein böser Wille, und somit ist die Befreiung von der für den Versuch vorgesehenen Strafe nicht angebracht, wenn er aus einem verwerflichen Motiv stattfand.” *16

Als Maßstab, wonach die Löblichkeit oder Verwerflichkeit des Motivs zu beurteilen ist, soll nach P. Bockelmanns Meinung „das allgemeine Verständnis vom richtigen Verhalten”, mit anderen Worten, der in der Gesellschaft geltende kategorische Imperativ dienen. Da dieses allgemeine Verständnis vom Recht nicht eindeutig bestimmbar ist und man daher mit der Bestimmtheitsforderung des Strafrechts in Widerspruch treten kann, wenn man es bei der Entscheidung über die Strafbarkeit zugrunde legt, haben die Vertreter der normativen Theorie der Willensfreiheit gefunden, dass der Rücktrittsmotiv mit geltenden Rechtsnormen im Einklang sein muss und es nicht nötig ist, die außerhalb des geschriebenen Rechts bleibende Ethik des Täters zu prüfen. Das Zeichen der Freiwilligkeit des Rücktritts ist die Rückkehr des Täters auf den „Zug des Rechts”. Dabei wird aber nicht ausgeführt, wie und aufgrund wessen der Einklang des Rücktrittsmotivs mit der Rechtsordnung festzustellen ist. *17

Nach der Willensfreiheitskonzeption von C. Roxin ist die Rückkehr des Täters zum gesetzestreuen Verhalten durch die Vernünftigkeit seiner Entscheidung nach Regeln der Verbrecherwelt zu prüfen. Beim freiwilligen Rücktritt erkennt der Täter, dass gemäß „verbrecherischer Vernunft” es sinnvoll wäre, die Straftat zu Ende zu führen, jedoch tut er dies nicht und weist durch diese Entscheidung seine Rückkehr zum gesetzestreuen Verhalten nach. *18 Die Konzeption C. Roxins wird aber deswegen kritisiert, weil die Kriterien solches Urteils nicht definierbar sind.

Als Zusammenfassung kann man konstatieren, dass während die Vertreter der normativen Theorie der Willensfreiheit der psychologischen Auffassung vorwerfen, das sie undefinierbar und schwer in der Praxis anzuwenden ist, steht eigentlich auch die normative Auffassung vor demselben Problem, denn auch diese Theorie vermag nicht, eindeutige und praktische Regeln anzubieten, um festzustellen, wann die Rückkehr zum gesetzestreuen Verhalten stattgefunden hat. Außerdem wird den normativen Theorien vorgeworfen, dass sie den Begriff der Willensfreiheit durch ein im Gesetz nicht vorhandenes Zusatzmerkmal – Einklang des Rücktrittsmotivs mit der Rechtsordnung – definieren. Andererseits erschafft gerade dieses Zusatzkriterium – die Rückkehr des Täters zum gesetzestreuen Verhalten – eine Grundlage, zu behaupten, dass die Strafzwecke erfüllt sind, und ist dadurch im Einklang mit der Theorie, die die Rücktrittsregulation damit begründet, dass es beim Verzicht auf die Vollendung nicht nötig ist, den Täter zu bestrafen. *19

3.3. Zusammenfassung der psychologischen und normativen Theorie

Die psychologische und die normative Auffassung von Willensfreiheit waren ursprünglich sowohl nach ihrer Prüfungsmethode als auch des Prüfungsgegenstands gegensätzlich, aber ihre Weiterentwicklungen und Anwendungspraxis haben gemeinsame Züge herausgebracht. Nämlich haben die Vertreter der psychologischen Theorie darin eingewilligt, dass wenn bei der empirischen Prüfung des Entscheidungsprozesses des Täters Schwierigkeiten auftreten, es notwendig werden kann, zur Feststellung der Freiwilligkeit Werturteile anzuwenden. Nach neueren Auffassungen der normativen Theorie folgt der Einklang des Rücktrittsmotivs mit der Rechtsordnung bereits aus der Tatsache, dass der Täter sich freiwillig entschlossen hat, die konkrete Straftat nicht zu Ende zu führen; sein darauffolgendes Verhalten und das mögliche Begehen neuer Straftaten in der Zukunft hat keine Bedeutung. *20 Der Unterschied zwischen der normativen und der psychologischen Theorie besteht vor allem im Ausgangspunkt, d.h. ob die gesetzestreue Gesinnung des Täters oder die Unbeeinflusstheit der konkreten Entscheidung vom Zwang maßgebend ist. *21 Meistens gelangen die beiden Theorien an dasselbe Ergebnis, nicht aber in allen Fällen, wie die folgende Erörterung zeigt. Bei der Feststellung der Willensfreiheit ist die psychologische Auffassung herrschend. Trotzdem bleibt es der Rechtsprechung zu entscheiden, was es bedeutet, dass der Täter der Herr seiner Entscheidung ist und dass diese nicht durch Zwang bedingt ist.

4. Zwang als Ausschlussgrund der Willensfreiheit des Menschen

Bei der Lösung der Frage nach der Willensfreiheit ist zuerst zu prüfen, ob überhaupt Faktoren vorhanden waren, die die Entscheidung des Täters beeinflussten, und danach, welche Wirkung sie auf diese Entscheidung hatten. *22 Wenn der Täter wegen solcher Umständen einsieht, dass die Vollendung der Tat unmöglich oder zwecklos geworden ist, handelt es sich um einen misslungenen Versuch und die Frage der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch tritt gar nicht auf. Die Feststellung der Freiwilligkeit wird aktuell in den Fällen, wenn der Täter erkennt, dass er grundsätzlich zwischen unterschiedlichen Verhaltensweisen wählen kann. Wesentlich ist gerade die subjektive Einsicht des Täters bezüglich der Möglichkeit der Tatvollendung, nicht deren objektive Erreichbarkeit. Bei der Prüfung der Freiwilligkeit ist festzustellen, warum der Täter sich zugunsten der konkreten Verhaltensalternative entschlossen hat – ob er vom Zwang beeinflusst wurde oder der Herr seiner Entscheidung war. Eine eindeutige Definition, welcher Maß von Zwang die Freiwilligkeit der Entscheidung des Täters ausschließt, findet sich in der Rechtsliteratur nicht und auch das Strafgesetzbuch gibt darauf keine Antwort.

Nach K. Amelungs Auffassung ist die Entscheidung des Täters dann freiwillig, wenn sie unbeeinflusst ist von der reellen Gefahr, dass er in den Rechtsakten vorgeschriebenen Maßnahmen unterzogen wird, die seine Rechte einschränken oder ihm Pflichten auferlegen. Zusätzlich wird die Willensfreiheit dann wesentlich beeinflusst, wenn es sich zwar nicht um eine in Rechtsakten vorgeschriebene negative Folge handelt, wohl aber um einen Umstand, der ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut des Täters auf vergleichbare Weise beeinflusst. Als vergleichbarer Zwang wäre demnach etwa die Situation anzusehen, wo nach dem Versuchsbeginn das Vermögen oder die Gesundheit des Täters durch eine Naturgewalt wesentlich geschädigt werden kann, und er, um dies zu vermeiden, die Ausführung der Straftat abbrechen muss. Weiter kann der Zwang sich aus dem psychischen oder physischen Zustand des Täters ergeben, wenn dies die Tatvollendung erschwert. Dabei weist K. Amelung darauf hin, dass es beim Vorhandensein von Faktoren, die für den Täter unbeherrschbar sind, sich bereits um einen misslungenen Versuch handelt. *23

K. Amelungs Definition gibt uns zwar einen Ausgangspunkt zum Definieren möglicher Zwangfaktoren, erklärt aber nicht deren Zusammenhang mit der konkreten Rücktrittsentscheidung des Täters. Maßgebend ist nicht, das Maß von Zwinglichkeit eines oder anderen Umstands festzustellen, sondern deren Einwirkung auf die Entscheidung eines konkreten Täters, eine Straftat zu Ende zu führen.

In der Rechtsliteratur ist ausgesagt worden, dass man die Regelung des entschuldigenden Notstandes in § 35 dStGB anwenden könnte, um das Maß des Zwanges zu definieren, das die Freiwilligkeit der Entscheidung ausschließt. Der Vorschlag, von jener Regulation auszugehen, wird damit begründet, dass diese ebenfalls eine Situation regelt, wo die Entscheidung des Täters so stark beeinflusst wird, dass es nicht angebracht ist, ihm eine rechtswidrige Tat vorzuwerfen. Als Zwang, die die Verantwortlichkeit des Täters ausschließt, gilt gemäß § 35 dStGB eine Gefahr auf Leben, Leib oder Freiheit des Täters oder einer ihm nahestehenden Person. Die deutsche Rechtspraxis hat dieses Kriterium nicht zur Prüfung der Willensfreiheit angewendet. Es ist ja nicht sachgerecht, den Zwang in einer Notstandssituation mit dem in einer Rücktrittssituation zu vergleichen, denn diese Situationen sind unterschiedlich. Im Notstand ist es zulässig, die Rechte einer dritten, tatfremden Person zu verletzen, also muss das Maß des Zwanges, der einen zu einer solchen Tat berechtigt, wesentlich höher sein als beim Rücktritt von versuchter Straftat, wo der Täter selbst ohne irgendwelche Berechtigung eine rechtswidrige Situation herbeigeführt hat. Beim Rücktritt vom Versuch sollte für die Ausschließung der Freiwilligkeit die Art des Zwanges genügen, die den Täter wesentlich weniger beeinflusst als beim entschuldigenden Notstand. *24

Aufgrund obiger Definitionen von Zwang kann man zusammenfassend konstatieren, dass die Freiwilligkeit durch einen Umstand ausgeschlossen wird, der die Entscheidung des Täters, die Straftat nicht zu Ende zu führen, wesentlich beeinflusst. Die Wesentlichkeit des Umstands wird durch seine Bedeutung für den Täter bestimmt – im Einzelnen dadurch, ob er für den konkreten Täter wichtiger ist als die Verwirklichung des Tatbestandes und das Erreichen des tatbestandsmäßigen Zieles und Erfolges dadurch. Die Bedingung der Freiwilligkeit ist dann erfüllt, wenn der Täter sich entschließt, die Straftat nicht zu Ende zu führen, obwohl er faktisch die Möglichkeit hat, die Tat zu vollenden und den erwünschten tatbestandsmäßigen Erfolg zu erreichen, ohne die für ihn wichtige Rechtsgüter zu beschädigen oder zu gefährden, deren Wert für ihn den Straftaterfolg überwiegen, wie etwa Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen von ihm selbst oder eines ihm nahestehenden Menschen. Die Freiwilligkeit ist ausgeschlossen, wenn es für den Täter wichtiger ist, seine in der Straftatsituation in Gefahr geratenen Rechtsgüter zu beschützen.

5. Der Einfluss konkreter Umstände auf die Freiwilligkeit der Entscheidung des Täters und auf die Abgrenzung vom misslungenen Versuch

Obwohl die Freiwilligkeit der Entscheidung des Täters, vom Versuch einer Straftat zurückzutreten im jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der Sachlage und des Täters zu prüfen ist, kann man konkrete Umstände ausführen, die bei der Prüfung der Freiwilligkeit und bei der Abgrenzung vom misslungenen Versuch von Bedeutung sind. Im Folgenden betrachte ich diese Umstände und erörtere deren Bedeutung im Zusammenhang mit der normativen und der psychologischen Theorie.

Die Freiwilligkeit der Rücktrittsentscheidung wird z.B. dadurch beeinflusst, dass der Täter die Erhöhung des Entdeckungsrisikos seiner Straftat erkennt und somit die Anwendung von strafrechtlichen Maßnahmen fürchtet. Der abstrakte Gedanke des Täters, dass die Straftat entdeckt werden und er bestraft werden kann, schließt die Freiwilligkeit nicht aus, sondern der Gedanke muss konkret sein und in der Situation der Straftatbegehung in Erscheinung treten.

Das Risiko der Entdeckung der Straftat kann dann erhöht sein, wenn dritte Personen, z.B. Polizeibeamte, zufällige Passanten oder Bekannte des Täters die Begehung der Straftat sehen und nach der Vorstellung des Täters Maßnahmen ergreifen, die zur Bestrafung des Täters führen können. Wenn der Täter erkennt, dass sich eine Situation ergeben hat, wo er nicht mehr die Möglichkeit hat, sich zu überlegen, ob er die Straftat zu Ende führen sollte oder nicht, weil er sofort festgenommen wird, geht es nicht um die Freiwilligkeit des Rücktritts, sondern es handelt sich um einen misslungenen Versuch. *25 Wenn aber ein Augenzeuge zwar die Polizei benachrichtigt, der Täter aber gemäß seiner Vorstellung noch bevor der Ankunft der Polizei die Tat vollenden und von dem Tatort fliehen könnte, jedoch sich entschließt, die Straftat nicht zu vollenden, handelt es sich um einen freiwilligen Rücktritt. *26 Falls der Täter in einer solchen Situation die Vollendung der Tat zwar für möglich, aber für ihn zu gefährlich hält, ist die Freiwilligkeit ausgeschlossen. Eine einheitliche Regel dafür, in welchen Fällen die Entscheidung erzwungen ist, vermag die Strafrechtstheorie nicht zu geben. Die Erhöhung des Entdeckungsrisikos muss sich nicht unbedingt aus der Beobachtung durch konkrete Personen ergeben, sondern kann auch von einer Änderung der Umstände bedingt sein – z.B. der Wohnungseinbruch verursacht mehr Lärm als erwartet, oder die Vollendung der Straftat würde eine frühere strafbare Tätigkeit des Täters entblößen. Die Erhöhung des Entdeckungsrisikos und sich daraus ergebende konkrete Furcht vor einer Strafe schließen sowohl gemäß der normativen als auch der psychologischen Auffassung die Freiwilligkeit des Rücktritts aus.

Ein Versuch der Straftat kann unterbrochen werden, weil die Situation sich im Vergleich mit der ursprünglichen Vorstellung des Täters geändert hat, wodurch die Verwirklichung von Tatbestandsmerkmalen verhindert wird. Wenn die Änderung der Tatbegehungssituation die Vollendung der Straftat unmöglich gemacht hat, etwa weil dem Täter ein Werkzeug fehlt, um die Ausführung der Tat unter geänderten Umständen fortzusetzen, oder weil dies von ihm übermäßige oder unvernünftige Anstrengung fordern würde, handelt es sich um einen misslungenen Versuch. Nach der psychologischen Auffassung handelt es sich um einen freiwilligen Rücktritt dann, wenn der Täter erkennt, dass er mit sofort unternehmbaren zusätzlichen Anstrengungen das ursprünglich vorgestellte Ziel erreichen kann. Die normative Theorie betrachtet die Freiwilligkeit unter solchen Umständen etwas enger und findet, dass es nicht ausreichend ist, dass der Täter bloß die Zusatzanstrengung für machbar und das Ziel für erreichbar hält, sondern es ist zu prüfen, ob er das Ziel für sich vernünftig hält und glaubt, dass es die Anstrengung wert ist. *27

Die Vollendung einer Straftat kann auch wegen des psychischen Zustands des Täters unterbleiben. Die Handlungsfähigkeit des Täters kann von Angst, Panik und anderen psychisch bedingten Umständen beeinflusst werden. *28 Wenn der Täter von einem psychischen Zustand ergriffen wird, der ihn handlungsunfähig macht, z.B. er verliert das Bewusstsein oder sich einfach wie gelähmt fühlt, wenn er Blut sieht, stellt sich die Frage nach der Freiwilligkeit des Rücktritts überhaupt nicht, sondern es handelt sich um einen misslungenen Versuch, weil die Fortsetzung der Tathandlungen für den Täter unmöglich geworden ist.

Daraus kann man aber nicht folgern, dass jedwede Änderung des psychischen Zustands des Täters während der Begehung der Straftat einen Rücktritt ausschließt. Wenn der Täter etwa das Leiden des Opfers sieht und deswegen Scham und Widerlichkeit bezüglich seines Verhaltens empfindet und sich entschließt, auf das weitere Handeln zu verzichten, schließt dies die Freiwilligkeit nicht aus, weil es für den Täter möglich ist, zu wählen, diese, im Augenblick für ihn verwerflich gewordene Tat zu Ende zu führen oder nicht. Ebenfalls ist es unwichtig, welcher Umstand in dem Täter das genannte Gefühl auflöst und von wem und auf welche Weise die Anregung kam – durch das erwachte Gewissen des Täters oder eine Bitte des Opfers. Gemäß psychologischer Theorie ist für die Feststellung der Freiwilligkeit maßgebend, ob und welche Wirkung der psychische Zustand des Täters auf seine Einschätzung der Möglichkeit der Tatvollendung hatte: ob er diese dermaßen erschwerte, dass der Täter sich entschied, die Tatausführung abzubrechen, oder fühlte der Täter, dass der genannte Umstand ihn zwar stört, nicht aber ihn daran hindert, die Straftat gemäß seiner Vorstellung zu Ende zu führen. Die normative Theorie betrachtet die den psychischen Zustand des Täters beeinflussenden Umstände im Zusammenhang mit der Freiwilligkeit etwas breiter: um einen freiwilligen Rücktritt handelt es sich in allen jenen Fällen, wo die Vollendung der Tat nicht unmöglich geworden ist, weil der Täter wegen eines Umstands, der von ihm selbst abhängt, zum gesetzestreuen Verhalten zurückgekehrt ist. *29

Weiter kann die Vollendung der Straftat aus dem Grund unterbleiben, weil es dem Täter in der Begehungssituation klar wird, dass das Ziel, wegen dessen er zur Begehung der Tat ansetzte, nicht erreichbar ist. Zum Beispiel hat der Täter vor, ein kostbares Gemälde zu stehlen, entdeckt aber nach dem Einbruch, das dieses sich nicht in der Wohnung befindet, oder erkennt bei näherer Betrachtung, dass es sich um eine relativ amateurhaft gefertigte Kopie handelt, und verzichtet deswegen auf weitere Tathandlungen. Wenn ein Tatbestandsmerkmal nach der Vorstellung des Täters unverwirklichbar ist oder ist der Unterschied zwischen dem angestrebten und dem reell erreichbaren Ziel so groß, dass die Vollendung der Tat sinnlos geworden ist, handelt es sich um einen misslungenen Versuch.

Die Vollendung der Straftat kann für den Täter auch deswegen sinnlos werden, weil ein nichttatbestandsmäßiger Erfolg entfällt. Zum Beispiel hat A sich entschlossen, B mit kleinen Giftdosen zu töten, weil er glaubt, dass B vorhat, sich um eine gleiche Stelle wie A zu bewerben. Die neue Stelle ist ein großer Traum von A und er weiß, dass B für ihn ein starker Konkurrent wäre. Jedoch erfährt A noch vor der Vollendung seiner Tat, dass B vorhat, ins Ausland zu ziehen und eine Tätigkeit in einem ganz anderen Gebiet aufzunehmen. Danach verzichtet A auf weitere Vergiftung von B, weil der Tod von B für ihn keinen Wert mehr hat und es für das Erreichen des von ihm erstrebten Zieles nicht nötig ist, diese Straftat fortzusetzen. Dennoch wird dieser Fall nicht als ein misslungener Versuch betrachtet, denn dieser kommt nur dann in Frage, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg oder ein anderes Tatbestandmerkmal unerreichbar ist, in diesem Fall gibt es jedoch keinerlei Hindernisse zur Vollendung des Totschlags. *30 In diesem Fall haben der Gegenstand der Straftat und seine Merkmale sich nicht geändert, geändert hat sich bloß der Wunsch des Täters, diese zu verwirklichen.

Nach der psychologischen Auffassung ist in dem zuletzt betrachteten Beispiel die Rücktrittsentscheidung des Täters freiwillig, weil in der Straftatsituation sich keine Umstände ergaben, die als Zwang interpretierbar wären, die dem Täter die Wahl zwischen mehreren Verhaltensalternativen weggenommen hätten. Nach der normativen Theorie der Willensfreiheit ist das Kriterium der Freiwilligkeit hier jedoch nicht erfüllt, denn die Vollendung der Tat war gemäß „verbrecherischer Logik” nicht sinnvoll und somit hat der Täter nicht gezeigt, dass er zum gesetzestreuen Verhalten zurückgekehrt ist. *31 In den Fällen, wo das Rücktrittsmotiv des Täters entscheidend ist, können die normative und die psychologische Auffassung zu unterschiedlichen Lösungen gelangen, denn gemäß der psychologischen Auffassung hat der Inhalt des Motivs des Täters und dessen ethische Verwerflichkeit oder auch Löblichkeit keine Bedeutung. Dasselbe gilt in Situationen, wo der Täter auf das Begehen der ursprünglich geplanten Straftat verzichtet, um später eine vorteilhaftere Straftat zu begehen, oder er sieht ein, dass seine Ziele in diesem Fall auch ohne eine Straftat erreichbar sind.

Die Straftat kann deswegen im Versuchsstadium bleiben, weil bei ihrer Vollendung die für den Täter wichtigen Rechtsgüter beschädigt werden oder andere unerwünschte Folgen auftreten könnten, und der Täter deswegen nicht wünscht, die Tat zu Ende zu führen, obwohl ihn an sich nichts dabei hindert. Z.B. wenn der Täter eine Kirche sprengen will, dies aber unterlässt, weil er unmittelbar vor der letzten Tathandlung erfährt, dass sich auch seine Eltern im Gebäude befinden, und das macht die ganze Situation für ihn unerwünscht. *32 Ähnlich ist die Lage im Fall, wo der Täter deswegen zurücktritt, weil er sieht, dass sein eigenes Haus in Brand geraten ist und der Löschung bedarf. In diesen Beispielen gibt es keine faktische Hindernisse zur Verwirklichung von Tatbestandsmerkmalen, aber es stellt sich die Frage, ob die bei der Straftatbegehung aufgetretenen Umstände, die sich unmittelbar auf die Entscheidung des Täters über die Vollendung der Straftat einwirken, als die Freiwilligkeit ausschließender Zwang zu betrachten sind. Über die Lösungen dieser Fälle gibt es in der Rechtsliteratur keine Einigkeit. Nach der normativen Theorie handelt es sich um keinen freiwilligen Rücktritt, denn die Entscheidung des Täters, die Straftat nicht zu Ende zu führen, ist nicht von der Rückkehr zum gesetzestreuen Verhalten bedingt, sondern von dem Umstand, dass es situationsbedingt für den Täter wichtiger ist, das für ihn wertvollere Rechtsgut zu retten.

Die Vertreter der psychologischen Theorie sind bezüglich der Einwirkung solcher Umstände auf die Freiwilligkeit unterschiedlicher Meinung. Ein Teil der Autoren findet, dass die Kriterien der Freiwilligkeit erfüllt sind, wenn es für die Vollendung der Tat deswegen keine Hindernisse gibt, weil es keine faktische Umstände gibt, weswegen es für den Täter unmöglich wäre, den Tatbestand zu verwirklichen, der Täter aber trotzdem entscheidet, die Straftat nicht zu Ende zu führen. Vom freiwilligen Rücktritt kann aber dann keine Rede sein, wenn der Täter etwa den in Brand geratenen Wagen für die Begehung der Straftat benötigt hätte; dann wäre die Begehung der Straftat ja unmittelbar verhindert. Dennoch wird der Standpunkt vertreten, dass wenn es eine Gefahr für die wesentlichsten Rechtsgüter des Täters wie Leben, Gesundheit und Freiheit gibt, die Freiwilligkeit ausgeschlossen ist, denn in einer solchen Situation kann der Täter nicht als der Herr seiner Entscheidung angesehen werden. *33

Mit dieser Lösung sind allerdings nicht alle Vertreter der psychologischen Theorie einverstanden, sondern sie finden, dass es den Zwang zu sehr einschränkt, wenn er bloß zu den für den Täter wichtigsten Rechtsgütern verbunden wird. Nach dieser Ansicht ist der Täter auch in den vorher beschriebenen Fällen in seiner Entscheidung nicht frei, denn im Vergleich zu seiner ursprünglichen Vorstellung hat sich in der Straftatbegehungssituation ein neuer Umstand erwiesen – die Beschädigung der dem Täter wichtigen Rechtsgüter, deren Rettung auf die Psyche des Täters dermaßen einwirkt, dass seine Entscheidung nicht als freiwillig betrachtet werden kann. *34 So eine negative Folge ist für den Täter vergleichbar mit der Erhöhung des Risikos der Entdeckung seiner Straftat und der darauffolgenden Strafe, und somit ist die Freiwilligkeit ausgeschlossen.

Falls es mehrere Gründe gibt, weswegen der Täter auf die Vollendung der Straftat verzichtet, ist festzustellen, welcher Grund der wichtigste war, der den Täter dazu leitete, die Straftat nicht zu Ende zu führen, und aufgrund dessen zu prüfen, ob der Rücktritt freiwillig war oder nicht. *35

6. Fazit

Freiwilligkeit als Element des Rücktritts von der versuchten Straftat verbindet das Nichtzuendeführen der Straftat mit der konkreten Entscheidung des Täters und schafft dadurch die Grundlage, von dem Schuldvorwurf gegen den Täter für den begangenen Versuch abzusehen. Auf die Frage, wann die Entscheidung des Täters, die Straftat nicht zu Ende zu führen, seinen freien Willen ausdrückt, vermögen die Strafrechtstheorie und ‑Praxis keine klare Antwort zu geben. Nur im Fall, wenn dem Täter die tatsächliche Möglichkeit fehlt, die Straftat zu vollenden oder das von ihm erwünschte Ziel zu erreichen, wird erkannt, dass die Frage um die Freiwilligkeit ausgeschlossen ist und es sich um einen misslungenen Versuch handelt. Die Frage nach der Freiwilligkeit ergibt sich dann, wenn es dem Täter faktisch möglich ist, die Tat zu Ende zu führen, er aber entscheidet, darauf zu verzichten. Eine genauere Definition des Inhalts und der Grenzen des Begriffes der Freiwilligkeit dieser Entscheidung hat die Strafrechtswissenschaft noch zu leisten. Also kann man zusammenfassend konstatieren, dass die Freiwilligkeit für den Rücktritt vom Versuch sowohl der Eck- als auch der Stolperstein ist: ohne des Begriffes der Freiwilligkeit ist es unmöglich, den Rücktritt vom Versuch zu begründen, eine klare Antwort auf ihre Bestimmung gibt es aber nicht.

PDF

pp.206-214