Issue
Public administration and the respective legal framework have been reformed and shaped in the Republic of Estonia since the restoration of independence, for only a couple of decades now. In its report published in 2011, an influential global organisation focusing on economic co‑operation and development, the OECD, warned that the people of Estonia will soon no longer be able to sustain their country, because Estonia’s public administration is fragmented and decentralised. The report pointed out that in 2008, more than 200 strategic documents were in force in Estonia, expressively showing that the government and state authorities have become divided into what are termed different strongholds. All of them are developing in some direction, using certain means to move toward certain objectives, but they are without a uniform and undivided general concept. Division of labour and co-operation among the various authorities is not the best either. One of the most important elements requiring consideration that are pointed out in the report has to do with the OECD’s observation as to the restricted analysis ability in Estonian administration, both at the levels of the government as a whole, government institutions, management, and leadership and also among single decision-makers. The mechanism for provision of public services is fragmented as well. Ministries and state institutions have determined the services to be provided by each of them by applying their own judgement. At the same time, Estonia has to tackle the increasing problems entailed by an ageing population, low birth rate, and high level of emigration. The functioning of the government sector has to be made more efficient if we are to solve these problems.
Naturally, the problematic aspects of Estonian public administration are not visible only on the high international level. In 2012, the idea of a thorough reform of the Estonian political establishment was decisively raised for public discussion. In the debates that followed, individual problematic issues have been addressed, with the reforms put forth including elimination of the level of county government and implementation of reorganisation of functions, merging of some ministries and establishment of new ones, reorganisation of the internal structures of ministries, and other changes. On the other hand, important issues related to the bases for state or public administration have been left quite unnoticed. An attempt was made to compensate for this shortcoming in the debate via an international conference, ‘Modernse riigihalduse lätetel – allikad, arengud ja perspektiivid’ (“At the Origins of Modern Public Administration—Sources, Developments, Perspectives“), that was held at the University of Tartu on 24–25 October 2013. The conference was also an event forming part of the Academica programme for German–Estonian academic co-operation. Accordingly, the primary emphasis was on the German and Estonian experience in both historical and topical perspective. Today’s problems in Estonia or Germany are in themselves nothing unique. Many other European countries have gone through similar historic developments and are facing similar economic, social, and demographic tendencies today. This is why we hope that the conference materials published in this issue will be interesting also to a wider international audience. At this point, we wish to take the opportunity to thank all of those who made presentations at the conference and the financial supporters of the conference and of the publication.
The challenges faced by public authorities and the administrative sector reach far further than the narrow confines of administrative law. This is vividly shown by the problems and approaches addressed in the second half of the publication, which features articles from very diverse fields of law. Even in private law, where the relationship between legal subjects is determined automatically, intervention by public authorities is often necessary for ensuring the possibility of the continued existence and actual functioning of this autonomy. To ensure that this intervention is thought through properly and fully justified, applying the appropriate theoretical approaches is vital.
pp. 1-1
Der moderne Staat. Ein Glanzstück europäischer Form und occidentalen Rationalismus
Rüdiger Voigt
pp. 5-20
Wird der Staat als „Glanzstück“ Europas, tatsächlich entthront, wie Carl Schmitt bereits 1963 verkündet hat? Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts schien sich der territoriale Nationalstaat überlebt zu haben. Mit der Angst vor dem globalen Terrorismus ist der Staat jedoch wieder auferstanden. Ohne einen funktionsfähigen Staat sind die Menschen anonymen Kräften hilflos ausgeliefert. Dabei droht der Staat aber zum Orwellschen Überwachungsstaat zu werden. Die Frage, was wir uns unter diesem „modernen“ Staat vorzustellen haben, soll hier aus der Perspektive bedeutender Staatsphilosophen beleuchtet werden. Machiavelli, Bodin, Hobbes und Locke haben einen Kernbestand an Staatlichkeit herausgearbeitet, den Montesquieu, Rousseau, Kant, Hegel, Marx, Jellinek, Max Weber, Habermas, Foucault und Agamben kontinuierlich weiterentwickelt haben. Moderne Staatlichkeit ist durch fünf Merkmale gekennzeichnet: Intensität der Staatswirksamkeit, Rationalität der Staatsstruktur, Trennung des Rechts von Sitte und Religion, Sicherung des innerstaatlichen Friedens, eine an formalem Recht geschulte Beamtenhierarchie.
Keywords:
Staat; Gemeinwesen; Agamben; Carl Schmitt; Orwell; Hobbes; Souveränität
Die Entstehung des Allgemeinen Teils des Verwaltungsrechts (1850–1900)
Michael Stolleis
pp. 21-28
In Deutschland des 19. Jahrhunderts war das Verwaltungsrecht, entstanden aus dem älteren „Policeyrecht“, das öffentliche Recht von 28 verschiedenen Ländern. Es war uneinheitlich und kein Gegenstand des juristischen Studiums. Mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 nahm aber das Bedürfnis zu, aus diesem Material einen „Allgemeinen Teil“ zu entwickeln, der die überall vorkommenden Grundfiguren enthielt. Dazu mussten die nichtjuristischen Elemente von den rechtlichen getrennt werden, um dann aus den rechtlichen Elementen jene Grundfiguren zu bilden.
Dieser Vorgang, der zwischen 1850 und 1900 abläuft, vollzieht sich in der jungen Disziplin des Verwaltungsrechts, die sich nun an den Universitäten durchsetzt. Die Autoren verwendeten mehr oder weniger entschieden die sog. konstruktive Methode, wie sie als „Begriffsjurisprudenz“ aus dem Zivilrecht bekannt war. Unter ihnen war auch der zeitweise in Dorpat/Tartu lehrende Edgar Loening von Bedeutung. Abgeschlossen wurde dieser Prozess, eine spezielle Form der „Verwissenschaftlichung“, durch das Werk von Otto Mayer (1895). Er formulierte einen „Allgemeinen Teil“ des Verwaltungsrechts, der das Verwaltungsrecht in Deutschland für fast drei Generationen prägen sollte.
Keywords:
Verwaltungsrecht; Edgar Loening; Reichsgründung; Rechtsstaat; öffentliches Recht; Allgemeiner Teil
Perversion der Verwaltung – Verwaltung der Perversion in der NS Zeit
Joachim Rückert
pp. 29-45
1. Die NS-Verwaltung wurde doppelt pervertiert, strukturell und inhaltlich. Perversion bestand im Vergleich zu freiheitlich-rechtstaatlichen Systemen.
2. Strukturell pervertiert wurden die zuvor stark ausgebildeten Rechtsformen. Sie wurden bewußt unterlaufen.
3. Inhaltlich pervertierend waren die Ziele Rasse, Führer und Volksgemeinschaft. Die Verwaltung vollstreckte sie. Sie wurde totalitär, nicht nur legal zwingend oder autoritär diktatorisch.
4. Wesentlich in diesen totalitären Gesellschaften ist generell der tägliche Konformitätsdruck. Die NS-Verwaltung funktionierte bemerkenswert gut – aber im nationalsozialistischen Sinn.
5. Die Sicherungen dagegen liegen weniger im Recht, seinen Institutionen, Formen, Mitteln, Akteuren, sondern im Erhalt einer Gesellschaft von grundsätzlich gleich freien Menschen.
6. Die Lage der Verwaltung von 1933-1945 wurde also weit über das ‚normale‘ politische Maß hinaus prekär politisch, und ihr Gesicht wurde zur ideologisch verzerrten Fratze.
Keywords:
Nationalsozialismus; Totalitarismus; Diktaturen; Formalismus; Perversion des Rechts; Verwaltungsrecht; Verwaltung
Die Schaffung und Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Estland
Ivo Pilving
pp. 46-57
Während der ersten Unabhängigkeitsperiode (1919-1940) wurden Verwaltungssachen in Estland von ordentlichen Gerichten (Amts- und Bezirksgerichten) behandelt. Beim Staatsgerichtshof war eine eigenständige Administrativabteilung tätig. Die in 1919 eingeführte Administrativgerichtsordnung beruhte auf dem Dekret der provisorischen Regierung Russlands vom 1917. Mehrere Grundsätze des heutigen estnischen Verwaltungsverfahrens waren schon damals in Kraft: z.B. Beschwerderecht aufgrund des subjektiven Rechtsschutzes, Untersuchungsgrundsatz, umfangreiche Befugnisse des Verwaltungsgerichts.
Unter den Bedingungen der sowjetischen Annexion (1940-1991) existierte praktisch keine gerichtliche Kontrolle der Exekutivgewalt. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit nahmen im Jahr 1993 in der ersten Instanz Verwaltungsgerichte die Behandlung von Verwaltungssachen auf. Gründung der von ordentlichen Gerichten getrennten Verwaltungsgerichte war vielmehr ein Zufall: dies war nicht durch eine historische Tradition, sondern durch das Vorbild einiger europäischer Staaten (Finnland, Deutschland) und die praktischen Bedürfnisse bei Reformierung des Gerichtsystems bedingt. In der Verwaltungsgerichtsordnung 1993 können Einflüsse sowohl der Administrativgerichtsordnung als auch der Gesetze der Sowjetunion wahrgenommen werden. Die Nachteile des damaligen Gesetzbuches waren die schwachen Befugnisse der Verwaltungsgerichte und beschränkter Kontrollumfang. Es war die Befürchtung bemerkbar, dass Verwaltungsgerichte übermäßig in die Tätigkeit der ordentlichen Gerichte und der Exekutivgewalt eingreifen werden. In den nächsten Versionen der Verwaltungsgerichtsordnung (2000 und 2012), ebenfalls in den zwischenzeitlichen Änderungen ist der Rechtsschutz durch Erhöhung der Befugnisse des Gerichts ständig gefestigt worden.
Keywords:
Rechtsgeschichte; Verwaltungsgerichtsverfassung; Verfahren beim Verwaltungsgericht; Anrufung des Verwaltungsgerichts; Gerichtsverfahrensrecht: Verwaltungsgerichtsverfahren: allgemeine Begriffe und Prinzipien des Verwaltungsgerichtsverfahrens; Verwaltungsrecht: Aufsicht und Kontrol-le; Staatsrecht: Gericht
Verfassungsrechtliche Determinanten der öffentlichen Verwaltung in Deutschland
Michael Sachs
pp. 58-68
Die für die öffentliche Verwaltung in Deutschland (abgesehen von ausgeklammerten bundesstaatlichen Gehalten) wichtigsten verfassungsrechtlichen Vorgaben ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Dazu gehören die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Bindung an das Gesetz, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes) und ihre zumal gerichtliche Kontrolle, als inhaltliche Vorgaben Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz sowie Anforderungen in organisatorischer und auf das Verfahren bezogener Hinsicht. Die Verwaltung ist zudem wie Gesetzgebung und Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden; die Grundrechtsbindung richtet sich allerdings primär auf die das Verwaltungshandeln weithin bestimmende Gesetzgebung; nur soweit diese der Verwaltung Spielräume lässt, wirkt die Grundrechtsbindung unmittelbar auf die Verwaltung. Schließlich verlangt das Demokratieprinzip die grundsätzlich umfassende demokratische Legitimation der gesamten öffentlichen Verwaltung, lässt aber Raum für kommunale und funktionale Selbstverwaltung und zumal grundrechtlich legitimierte ministerialfreie Räume.
Keywords:
Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung; Verwaltungsverfahren; Verwaltungsorganisation; Demokratische Legitimation der Verwaltung; Grundrechtsbindung der der Verwaltung; Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Abgrenzung von Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung
Ulrich Ramsauer
pp. 69-83
Die Allgemeinverfügung ist ein von einer Verwaltungsbehörde erlassener Verwaltungsakt, der sich auf einen Personenkreist bezieht, der bei seinem Erlass noch nicht feststeht, aber bestimmbar ist. Da Verwaltungsakte nach dem verfassungsrechtlichen Konzept der Gewaltenteilung grundsätzlich nicht abstrakt-genereller Natur sein dürfen, ist der Erlass von Allgemeinverfügungen auf konkrete Regelungen beschränkt. Personale Allgemeinverfügungen müssen sich in Regelungen aus einem konkreten Anlass erschöpfen, dingliche Allgemeinverfügungen müssen sich auf Gegenstände beziehen, deren Eigenschaften oder Benutzbarkeit für die Zukunft festgelegt werden.
Rechtsnormen sind zwar typischerweise abstrakt-genereller Natur; sie können aber auch Einzelfallregelungen treffen, wenn und soweit sie sich im Rahmen des Verfassungsrechts halten. Das Gewaltenteilungskonzept der Verfassung weist der Gesetzgebung den Erlass generell-abstrakter Normen und der Exekutive den Vollzug im Einzelfall zu. Die Gesetzgebung ist aber nicht gehindert, auch Regelungen für Einzelfälle zu treffen, wenn sie damit nicht gegen Verfassungsrecht verstößt. In diesen Fällen ist jeweils zu prüfen, ob die Einzelfallregelung mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar ist, und ob der Rechtsschutz der von der Rechtsnorm betroffenen Personen unzumutbar erschwert wird. Im übrigen hat der Gesetzgeber ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, in welcher Rechtsform Regelungen getroffen werden sollen.
Es ist grundsätzlich Sache des gesetzgeberischen Ermessens, ob Regelungen über die Zweckbestimmung, Nutzung oder den Schutz von Flächen durch Rechtsverordnungen oder durch Allgemeinverfügungen vorgenommen werden. Das gilt auch dann, wenn der Kreis der Betroffenen im Einzelfall sehr klein ist. Grundsätzlich können auch Regelungen für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen durch Allgemeinverfügung getroffen werden. Problematisch ist dies allerdings dann, wenn es um öffentliche Einrichtungen zur zwangsweisen Unterbringung von Personen geht. In diesen Fällen bedarf es einer Regelung durch Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage, weil es (auch) um grundrechtlich relevante Eingriffe geht.
Keywords:
Allgemeinverfügung; Rechtsverordnung; Handlungsformenlehre; Gleichheitssatz; Gewaltenteilung; Gesetzesvollzug; Gesetz; Ermessen, gesetzgeberisches; Einzelfallgesetz; Einrichtung, öffentliche; Allgemeinverfügung, personale; Allgemeinverfügung, dingliche
Reformentwurf für das estnische Verwaltungsrecht (1997–1999)
Holger Schwemer
pp. 84-94
Der Beitrag enthält eine Darstellung der ersten Schritte zur Entwicklung des heutigen Verwaltungsrechts von Estland. Als Vorbereitung zur Aufnahme Estlands in die Europäische Union wurden der Hamburgische Rechtsanwalt Prof. Dr. Holger Schwemer und der Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Ulrich Ramsauer von der Regierung Estlands unter finanzieller Förderung durch die Europäische Union gebeten, Vorschläge zur Einführung eines rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts zu erarbeiten, die im Anschluss neben anderen Vorlagen Grundlage für den parlamentarischen Abstimmungsprozess waren.
Der Beitrag befasst sich mit den Anforderungen an ein leicht zu handhabendes Verwaltungsrecht in den Bereichen des Allgemeinen Verwaltungsrechts, des Gefahrenabwehrrechts und des Kommunalrechts. Aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht werden der Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes, eines Gesetzes über das Verwaltungsverfahren, ein Verwaltungsorganisationsgesetz sowie ein Gesetz zur Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Ansprüche dargestellt.
Gegenstand des Verwaltungsorganisationsrechts ist die Darstellung des Verwaltungsrechtsverhältnisses und damit insbes. die Frage, welche juristische Person und welches Organ (Behörde) auf staatlicher Seite tätig wird. Im Verwaltungsverfahrensrecht geht es um die Anforderungen an Rechtsakte, aber auch an ein nichtregelndes Verwaltungshandeln durch die Behörden. Das Verwaltungsvollstreckungsrecht befasst sich damit, wie Verwaltungsakte zwangsweise durchgesetzt werden. Der Rechtsschutz derjenigen, die durch hoheitliche Maßnahmen in ihren Rechten betroffen sind, ist Gegenstand des Verwaltungsgerichtsgesetzes. Die Gesetze sind an die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland angelehnt, sie sind aber so formuliert, dass viele Auslegungs- und Streitfragen, die es in Deutschland gibt, nicht entstehen können.
Im materiellen Verwaltungsrecht wurde damals ein Staatshaftungsgesetz entwickelt und ein allgemeines Gesetz zur Gefahrenabwehr. Die Grundstruktur jener Gesetze, die heute zum Teil dem geltenden Recht zu Grunde liegen, ist in dem Beitrag dargestellt. Im Staatshaftungsrecht werden Abwehr-, Leistungs- und Schadensersatzansprüche gegen die öffentliche Hand konkretisiert. Das Gefahrenabwehrrecht dient als Grundlage für Eilmaßnahmen der Polizei ebenso wie für die allgemeine Gefahrenabwehr durch die zuständigen Fachbehörden.
In diesen Bereichen haben die Entwürfe „Neuland“ auch im Vergleich etwa zur deutschen Rechtsordnung betreten und können immer noch als Vorbild für entsprechende gesetzliche Bestimmungen gelten.
Keywords:
Verwaltungsrecht; Verwaltungsrechtsakte; Behördenbegriff; Ordnungsrecht; Kommunalrecht; Organisationsrecht; Polizeirecht; Gefahrenabwehrrecht; Verwal-tungsvollstreckungsrecht; Staatshaftungsrecht; Verwaltungsverfahrensrecht
On the Situation of Law-enforcement Law in Estonia
Mait Laaring
pp. 95-101
The article addresses the situation of the Estonian law-enforcement legislation in relation to the ongoing legislative reform in the associated field. On 23 February 2011, the Parliament of Estonia adopted the Law Enforcement Act, on which the new Estonian law-enforcement legislation shall be based. That act has its foundation in the idea of preventive maintenance of public order, and the core threshold set for implementation of measures restricting fundamental rights is linked to the concept of (specific) threat.
Selection of suitable law-enforcement legislation concepts has been accompanied by serious doubts. The author addresses several dispute-laden issues, such as the possible scope for delegation of public-law enforcement tasks to private persons, the legal-cultural suitability of a law-enforcement model that is based on the concept of threat as part of our legal order, the issue of ensuring optimal balance between repression and prevention, and the compliance of several aspects of threat-control legislation with the Constitution – especially with its principles of legal clarity and proportionality.
Keywords:
law-enforcement legislation; administrative law; police law; threat-prevention legislation; threat-control legislation
Zur Europäisierung des Verwaltungsrechts
Friedrich Schoch
pp. 102-117
Die Europäisierung des Verwaltungsrechts ist ein fortschreitender, nicht endender Prozess. Betroffen sind Kernmaterien der innerstaatlichen Rechtsordnung wie etwa das Allgemeine Verwaltungsrecht, das Verwaltungsverfahrensrecht und das Verwaltungsprozessrecht. Der Beitrag analysiert die Einwirkungen des supranationalen Unionsrechts auf jene Rechtsgebiete und weist nach, dass das systematisch angelegte deutsche Verwaltungsrecht und die gut strukturierte Rechtsdogmatik in der Lage sind, die Europäisierung der innerstaatlichen Rechtsordnung zu bewältigen. Dabei zeigt sich, dass das Europarecht nicht nur Herausforderungen für das nationale Recht und das überkommene Rechtsdenken bereithält, sondern auch Impulse für die Modernisierung des deutschen Verwaltungsrechts setzt.
Keywords:
Subjektives öffentliches Recht; vorläufiger Rechtsschutz; Klagebefugnis; Verwaltungsverfahren; Staatshaftungsrecht; Rücknahme von Verwaltungsakten
Warum wir an der Universalität der westlichen Werte festhalten sollten
Christoph Conrad Henke
pp. 118-129
Die westlichen Werte lassen sich – soweit sie fundamentale Prinzipien der Gerechtigkeit betreffen – in vier Kategorien untergliedern: Gewaltverbot, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte. Der Westen erhebt in Bezug auf sie Anspruch auf Universalität. Alle Staaten und internationalen Organisationen sollen sie langfristig übernehmen. Wer die weltweite Verbreitung von Gewaltverbot, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten anstrebt, sollte eine überzeugende Begründung vorweisen können. Der vorliegende Beitrag versucht, die Grundlagen westlicher Werte herauszustellen. Um das Gerechtigkeitsniveau eines Rechtsprinzips oder einer Rechtsnorm zu bestimmen, ist eine Würdigung aller Anknüpftatsachen vorzunehmen. Dies hat Ähnlichkeit mit dem juristisch/politologischen Legitimations-Konzept. Danach ergibt sich aus den Gesamtumständen („plurale Legitimation“) ein Legitimationsniveau. Dieses kann sich insbesondere aus dem (mutmaßlichen) Willen der Bevölkerung (Input-Legitimation) und/oder dem Nutzen für die Bevölkerung (Output-Legitimation) ergeben. In vergleichbarer Weise ist das Gerechtigkeitsniveau zu bestimmen.
Keywords:
Gewaltverbot; Gerechtigkeit; Legitimation; Legitimität; Völkerrecht; Menschenrechte; Rechtsstaat; Demokratie
The Legal Concept of Slavery in the Modern European Legal Sphere
Kärt Pormeister
pp. 130-136
The article explores the development of the concept of slavery in the European legal sphere. By means of an evolutionary approach, the author provides introduction to the first implementations of the prohibition of slavery in instruments of international law. Starting out as an economic measure protecting the colonial interests of the great European powers in the 19th century, the prohibition of slavery then developed, over the course of the 20th century, into a matter of human rights, with the prohibition aimed at protecting people subject to slavery. However, the practical scope of the slavery prohibition has always been subject to disagreements, not just to do with the first legal definition of slavery as incorporated into the Slavery Convention of 1926 but also extending to the contemporary approach. The author introduces the scholarly debate regarding the substantial meaning of the prohibition of slavery and the discrepancies among the approaches taken by international institutions.
Keywords:
slavery; the International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia; the European Court of Human Rights; 1956 Supplementary Convention on the Abolition of Slavery; 1926 Slavery Convention; servitude
Extraterritorial Merger Control Enforcement in Small Economies— Challenges and Possibilities
Katri Paas-Mohando
pp. 137-146
The article discusses the problems of small economies with regard to extraterritorial merger control enforcement and considers various traditional measures, such as co‑operation and comity, as means to enhance the enforcement position. It also describes the enforcement options within the EU both under various enforcement regulations and under the EUMR referral regime. The article concludes that the referral mechanism contained in Article 22 of the EUMR, which allows for referring a merger lacking a Community dimension to the European Commission’s control, could provide solutions for small EU member states when a merger has significant anti-competitive effects but the competition authority is concerned about the enforcement possibilities.
Keywords:
merger control; EUMR; small economies; enforcement; referral
The Buyer’s Right to Require Reimbursement for Repair Costs of Defective Goods under the CISG, the CESL, and Estonian Law
Arsi Pavelts, Karin Sein
pp. 147-158
The analysis compares the conditions under which the buyer’s right to require reimbursement for repair costs arises under the terms of the CISG, the CESL and the Estonian sales law. The authors present a hypothesis that the institution of cure and that of granting of additional time differ fundamentally in how they function in balancing the interests of the seller and buyer. Cure prioritises the buyer’s interests and leaves the risk of communication to be borne by the seller. The institute of granting additional time, in contrast, gives priority to a claim for performance, and shifting from this claim to a claim for repair costs usually requires prior active intervention by the buyer.
According to the authors, the logic of the institution of cure should be preferred in balancing of the interests of the seller and buyer. The buyer, as the party who delivered the defective goods, should bear the risk of communication and active intervention related to the remedying of a defect. In the case of passivity or inadequacy of measures, the seller knowingly risks having to provide reimbursement for repair costs.
Keywords:
CISG; claim for performance; compensation for damages; defective goods; buyer’s remedies; sales law; LOA; CESL
Formation of Creditor Groups in Reorganisation Proceedings: Does Estonia Need a Better Regulation?
Mari Schihalejev
pp. 159-167
The Estonian Reorganisation Act (RA) entered into force on 26 December 2008. In a comparison to the legislation of other states discussed in the article, the Estonian law is one of the few that do not provide clear rules on the formation of creditor groups for voting purposes, and no widespread court practice can be cited. In current practice, debtors rarely form groups that would be consistent with the creditors’ rights and interests. However, doing so would ensure equal treatment for the creditors while also protecting the interests and rights of the debtor; in turn, this ensures adoption of a reorganisation plan and effectiveness of reorganisation proceedings.
The legislator should prescribe clear provisions in the RA stating that the debtor should form voting groups when the creditors differ in their legal status and economic interests. Those creditors are secured and unsecured creditors. However, a preferential right is appropriate only to the extent to which the claim is secured. Debtor-related creditors too should vote in a separate group, especially with subordinated claims. With respect to other debtor-related creditors, verification should be obtained in each case wherein they differ in their legal status and interests.
Keywords:
formation of creditor groups; subordinated claims; adoption of a reorganisation plan; voting groups; voting in reorganisation proceedings; debtor-related creditors; secured creditors
Personal Liability of a Director to Creditors in the Case of Thin Capitalisation of a Company
Leonid Tolstov
pp. 168-175
Liability of a director of an insolvent company for damage caused to creditors is recognised in many countries if the director remains inactive when insolvency occurs and fails to take measures to suspend the activities of the company in time, primarily by failing to file a bankruptcy petition. However, permanent insolvency is, as a rule, preceded by a ‘twilight zone’ in which the company is not yet insolvent but experiences thin capitalisation. To guarantee better protection of the interests of creditors, the director should take steps to protect the interests of creditors already in the twilight zone instead of waiting for the company to become permanently insolvent. The article examines whether and under what circumstances a director of a company could be held liable for damage caused to creditors if that director violates its statutory duties and remains inactive when the company experiences thin capitalisation.
Keywords:
thin capitalisation; statutory duty; company; director; tort liability
Legal Aspects of Insolvency of Natural Persons in the Baltic States
Goda Ambrasaitė, Rimvydas Norkus
pp. 176-185
The article is devoted to the analysis of the main features of the model for bankruptcy of a natural person in Lithuania, in comparison with the legal regulation in Latvia and Estonia. Particular emphasis is placed on the principle of good faith and the need to balance the interests of the debtor and creditors.
Lithuania was the last of the Baltic States to introduce a legal mechanism to deal with insolvency of a natural person to its legal system – the Law on Personal Bankruptcy of the Republic of Lithuania came into force on 1 March 2013. Therefore, the authors attempt to assess whether initial judicial practice corresponds to the intentions of the legislator and, by using comparative methods, propose some solutions for more effective functioning of the legal institution of personal bankruptcy.
Keywords:
insolvency; payment plan; principle of good faith; Baltic States; Lithuania; personal bankruptcy
Company Board Members’ Liability and Prerequisites for it in Bankruptcy Proceedings
Merike Varusk
pp. 186-196
The article deals with the question of what kind of liability can be applied to a company board member in bankruptcy proceedings for infringement of his duties. Analysis of company board members’ obligations makes it possible to evaluate a board member’s actions and thereby determine, during the bankruptcy proceedings, whether the company’s insolvency was caused by a grave management error by the board member in question, a deed with constituent elements of an offence, or another element and consequently apply the liability entailed by the infringement of one’s obligations.
According to the principles for applying civil liability, in the event of a grave management error having been committed by a board member, the bankruptcy trustee must file for compensation. If the board member has infringed his obligations but no damage has emerged, there is reason to deliberate whether reason exists to apply penal or bankruptcy liability.
Infringement of a board member’s duties is often also an offence for which the penal code stipulates a liability. Penal liability for a board member who has infringed his obligations follows if his deed corresponds to the constituent elements of an offence stipulated by the Penal Code and he has been proved guilty.
The presumptions for application of bankruptcy liability – in the form of prohibition of business after the bankruptcy proceedings – also include the person’s conviction; for prohibition on business to be applied during the bankruptcy proceedings, there must be a well‑founded suspicion of a crime.
Keywords:
corporate governance; insolvency law; criminal responsibility; civil responsibility; prohibition of business; offences related to bankruptcy; offences related to companies; economic offences; corporate law; management mistakes; obligations and liability; management and liability; member of a company management board
Succession Law Procedure Coverage in Estonian Public Electronic Databases: Ametlikud Teadaanded and the Succession Register
Urve Liin
pp. 197-205
The aim of the paper is to analyse two Estonian databases – the Succession Register and the notices of succession proceedings (Pärimisteated) in the public electronic publication Official Announcements – and compare the goals set for the Estonian Succession Register to those set for other registers of wills in EU member states in order to suggest some proposals for future development.
The Estonian register of wills (the Succession Register) was established on 1 October 1996 under the first Estonian Succession Law Act, which also provided for the publishing of notices of succession proceedings, an operation that started on 1 January 1997.
Succession proceedings conducted by Estonian notaries are readily accessible and observable by all interested persons through the Succession Register and the electronic database of notices of succession proceedings published in Official Announcements. From the data available in the Succession Register, it is possible to obtain complete information about the succession proceedings: not only data about the testaments and succession contracts entered in it but also information about which notary is conducting the succession proceedings for any given deceased person, information about estate-management measures, and succession certificates.
Everyone, including those persons entitled to inherit and the creditors of the deceased, has since the end of 2013 had access to information about the initiation of succession proceedings and about the notary conducting them, just as much as about the general state of succession proceedings, directly through the Succession Register data from the e-state portal. The Estonian Succession Register belongs to the European Network of Registers of Wills (ENRW or RERT).
The information in the second electronic database, Pärimisteated, can be divided into three types: notices related to the initiation of succession proceedings, notices of the calling proceedings for identification of heirs, and notices of calling proceedings conducted for purposes of determining the obligations incurred by the deceased and applying to the estate.
Keywords:
inheritance law; notary; Estonian e-state portal; Estonian succession register; register of wills; succession proceedings
The Possibility of Compensation for Health Damage in Cases of Uncertain Causes within the Victim’s Sphere
Egle Kalev
pp. 206-217
In numerous cases of harm to health, the inability to establish factual causation may be a serious obstacle to the plaintiff’s success, because of causal uncertainty. In cases of uncertain causation, the standard rules of causation are often evaded and the plaintiff can only resort to the probability of the defendant having caused the damage. The question is w hat the optimal solution should be in the case wherein the victim is only able to establish that the damage was probably caused by the defendant ’ s unlawful act. To this end, I pose two main questions. Firstly, what are the uncertain causes in the victim ’ s sphere, and how do the various causes affect the plaintiff ’ s chances of obtaining compensation? Secondly, how does the use of different approaches to paying damages, such as the all-or-nothing theory versus partial liability, affect the plaintiff ’ s prospect of getting compensation from the defendant? I have chosen to focus predominantly on analysing the practice in the common-law countries to identify whether there are solutions for the issues dealt with in the article that are worth applying in the Estonian legal system and in the countries in continental Europe generally.
Keywords:
factual causation; tort law; aetiology of the disease; noxious habits; the plaintiff’s pre-existing health condition; partial liability; causal uncertainty in the victim’s sphere
The Right to Collective Action in Labour Relations in Estonia: Is the Right to Organise a Strike Guaranteed?
Gaabriel Tavits
pp. 218-0
In Estonia, a new draft law on collective agreements and collective labour disputes has been discussed. Besides conclusion of collective agreements, an important role is played by various collective actions that are connected to the process of collective bargaining. The majority of attention on the international level has been paid to the regulation of strikes and exercise of the right to strike. The recent conflict between employers’ representatives and the ILO shows very clearly that legal regulation of exercise of the right to strike is a very important issue, clearly worthy of discussion. The conventions of the ILO do not contain any definition of ‘strike’ per se. Also, the ILO conventions do not enshrine any right to strike. At the same time, one can find reference in the European Social Charter to employees’ right to use strikes in order to protect their interests. Although a right to strike has been recognised in such contexts, the regulation of support strikes is not settled and is far from guaranteeing a right in this respect. In today’s situation, one cannot argue that regulation of support strikes is necessary, because of international labour standards.
Keywords:
support strike; right to strike in the European Social Charter; right to strike in international law; lockout