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JURIDICA INTERNATIONAL. LAW REVIEW. UNIVERSITY OF TARTU (1632)

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Public Administration and Law

21/2014
ISBN 978-9985-870-33-4

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Abgrenzung von Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung

Die Allgemeinverfügung ist ein von einer Verwaltungsbehörde erlassener Verwaltungsakt, der sich auf einen Personenkreist bezieht, der bei seinem Erlass noch nicht feststeht, aber bestimmbar ist. Da Verwaltungsakte nach dem verfassungsrechtlichen Konzept der Gewaltenteilung grundsätzlich nicht abstrakt-genereller Natur sein dürfen, ist der Erlass von Allgemeinverfügungen auf konkrete Regelungen beschränkt. Personale Allgemeinverfügungen müssen sich in Regelungen aus einem konkreten Anlass erschöpfen, dingliche Allgemeinverfügungen müssen sich auf Gegenstände beziehen, deren Eigenschaften oder Benutzbarkeit für die Zukunft festgelegt werden.

Rechtsnormen sind zwar typischerweise abstrakt-genereller Natur; sie können aber auch Einzelfallregelungen treffen, wenn und soweit sie sich im Rahmen des Verfassungsrechts halten. Das Gewaltenteilungskonzept der Verfassung weist der Gesetzgebung den Erlass generell-abstrakter Normen und der Exekutive den Vollzug im Einzelfall zu. Die Gesetzgebung ist aber nicht gehindert, auch Regelungen für Einzelfälle zu treffen, wenn sie damit nicht gegen Verfassungsrecht verstößt. In diesen Fällen ist jeweils zu prüfen, ob die Einzelfallregelung mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar ist, und ob der Rechtsschutz der von der Rechtsnorm betroffenen Personen unzumutbar erschwert wird. Im übrigen hat der Gesetzgeber ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, in welcher Rechtsform Regelungen getroffen werden sollen.  

Es ist grundsätzlich Sache des gesetzgeberischen Ermessens, ob Regelungen über die Zweckbestimmung, Nutzung oder den Schutz von Flächen durch Rechtsverordnungen oder durch Allgemeinverfügungen vorgenommen werden. Das gilt auch dann, wenn der Kreis der Betroffenen im Einzelfall sehr klein ist. Grundsätzlich können auch Regelungen für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen durch Allgemeinverfügung getroffen werden. Problematisch ist dies allerdings dann, wenn es um öffentliche Einrichtungen zur zwangsweisen Unterbringung von Personen geht. In diesen Fällen bedarf es einer Regelung durch Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage, weil es (auch) um grundrechtlich relevante Eingriffe geht.

Keywords:

Allgemeinverfügung; Rechtsverordnung; Handlungsformenlehre; Gleichheitssatz; Gewaltenteilung; Gesetzesvollzug; Gesetz; Ermessen, gesetzgeberisches; Einzelfallgesetz; Einrichtung, öffentliche; Allgemeinverfügung, personale; Allgemeinverfügung, dingliche

I. Einführung: Historische Entwicklung von Verwaltungsakt und Rechtsnorm

In den siebziger Jahren gab es in Deutschland erhebliche Auseinandersetzungen um die Einordnung von Verkehrszeichen. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof wollte seinerzeit die in der deutschen Straßenverkehrsordnung *1 vorgesehenen und auf dieser Grundlage erlassenen Straßenverkehrszeichen als Rechtsverordnungen behandeln, was zur Folge gehabt hätte, dass eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht nach § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen Verkehrszeichen nicht zulässig gewesen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht entschied anders und ordnete die Verkehrszeichen als Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen (§ 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)) ein mit der Folge, dass Verkehrszeichen in Deutschland heute von allen Verkehrsteilnehmern mit der Anfechtungsklage angefochten werden können. *2

Im Übrigen ist es um die Allgemeinverfügung in Deutschland eher still geblieben; es gibt aus neuerer Zeit *3 vergleichsweise wenige wissenschaftliche Abhandlungen, die sich mit den Problemen der Allgemeinverfügung befassen. *4 In der Praxis macht die Abgrenzung von Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung in Deutschland nur in wenigen speziellen Fallgestaltungen Schwierigkeiten. *5 Dies liegt vor allem an den im deutschen Verfassungsrecht entwickelten klaren formalen Konturen des Begriffs der Rechtsverordnung (s. unten IV.); die Konturen der Allgemeinverfügung sind demgegenüber trotz ihrer Legaldefinition in den Verwaltungsverfahrensgesetzen (§ 35 VwVfG und entsprechende Länderregelungen) und mancher Bemühungen in der Wissenschaft nach wie vor verwaschen.

Intensivere Diskussionen um die Abgrenzung von Rechtsverordnungen auf der einen und Allgemeinverfügungen auf der anderen Seite wurden in Deutschland im ausgehenden 19. Jahrhundert geführt, in der Zeit also, in der die Fundamente des modernen Verwaltungsrechts gelegt wurden. Sie waren seinerzeit Teil der auch aus machtpolitischen Gründen kontrovers geführten Diskussion um den Gesetzesbegriff. *6 Aus dieser Zeit stammt auch der von Richard Thoma *7 geprägte Begriff der Allgemeinverfügung. Es erscheint deshalb sinnvoll, zu Beginn der Überlegungen einen Blick auf die historische Entwicklung der Problematik zu werfen.

1. Ausgangspunkte: Abstrakt-generelle Normen und individuell-konkrete Verfügungen

Im ausgehenden 19. Jahrhundert bestand die Notwendigkeit, zwischen dem Gesetzesbegriff auf der einen und dem Begriff der Verwaltungsverfügung auf der anderen Seite eine begrifflich-systematische Unterscheidung zu treffen. Der Erlass förmlicher Gesetze war nach den Verfassungen des 19. Jahrhunderts den Parlamenten vorbehalten, während alle anderen Formen hoheitlichen Handels der Exekutive und damit den herrschenden Fürsten vorbehalten blieben. Da das Parlamentsgesetz auf abstrakt-generelle Eingriffe in Freiheit und Eigentum beschränkt, bedeutete dies zugleich auch eine Begrenzung seiner Macht gegenüber der Exekutive, die nur bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum *8 der Ermächtigung durch ein Parlamentsgesetz bedurfte, *9 im übrigen durch Verwaltungsverfügungen gleichsam autonom konnte, soweit sie damit nicht gegen die Bestimmungen von Parlamentsgesetzen verstieß. *10 Diese Abgrenzung entspricht der klassischen Gewaltenteilung: Die Legislative erlässt abstrakt-generelle Rechtsnormen, die Exekutive vollzieht diese mit individuell-konkreten Einzelakten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben. In der Realität legislativen und exekutiven Handelns wurde diese klare begriffliche Trennung nicht durchgehalten. Es bildeten sich verschiedene Mischformen. Das materielle Gesetz galt (und gilt noch heute) freilich nach wie vor als Inbegriff einer abstrakt-generellen Regelung, also als Regelung für eine unbestimmte Zahl von Personen und zugleich eine unbestimmte Anzahl von Fallgestaltungen. Der Verwaltungsakt dagegen galt (und gilt noch heute) als das klassische Instrument zur Umsetzung der der gesetzlichen Vorgaben im Einzelfall und damit als eine auf individuelle und zugleich konkrete Einzelfälle beschränkte Handlungsform. *11 Ein individueller Einzelfall liegt vor, wenn einzelne Personen verpflichtet werden, ein konkreter Einzelfall liegt vor, wenn die Verpflichtung sich auf bestimmte einzelne Anlässe bezieht.

 

Beispiele: Abstrakt-generell ist die Regelung in den Landesbauordnungen, wonach, wer eine bauliche Anlage errichten will, der Genehmigung durch die zuständige Behörde bedarf und einen Anspruch auf die Baugenehmigung hat, wenn sein Vorhaben allen einschlägigen Vorschriften entspricht. Individuell-konkret ist dagegen die in Umsetzung dieser Vorschrift erlassene Baugenehmigung: Der Bauherr B erhält die Erlaubnis, nach Maßgabe des Genehmigungsantrags die geplante bauliche Anlage zu errichten.

 

2. Individuell-abstrakte Regelungen durch Verwaltungsakte

Eine Beschränkung exekutivischen Handelns auf individuell-konkrete Maßnahmen wird den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht.. Eine effektive Verwaltung muss beispielsweise Verfügungen erlassen können, die dauerhaft wirksam bleiben. Das gilt sowohl für Genehmigungen als auch für Verbotsverfügungen. Schon früh anerkannt war deshalb der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der den Adressaten unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft etwas erlaubt, gebietet oder verbietet.

 

Beispiele: Einem Gastwirt wird auf seinen Antrag hin der Betrieb einer Gaststätte (z.B. eines Restaurants) erlaubt. Diese Erlaubnis gilt vom Zeitpunkt der Bekanntgabe an solange, bis der Gastwirt den Betrieb der Gaststätte aufgibt. Wenn die Erlaubnis nicht ausnahmsweise befristet wird, gilt sie also für die Zukunft weiter. Es handelt sich um einen Dauer-VA. Gleiches gilt für Untersagungsverfügungen: Dem Kaufmann wird untersagt, selbständig ein Ladengeschäft zu betreiben, weil er sich als unzuverlässig erwiesen hat. *12 Dieses Verbot wirkt aber vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts dauerhaft, d.h. solange, bis es wieder aufgehoben wird. Auch Gebote mit Dauerwirkung sind nicht selten: Ein Steuerpflichtiger wird durch VA verpflichtet, jeweils zum Beginn eines jeden Monats Einkommensteuervorauszahlungen in einer bestimmten Höhe zu leisten.

 

Mit den beschriebenen Maßnahmen werden zwar jeweils individuelle Einzelfallregelungen getroffen, also Regelungen gegenüber bestimmten einzelnen Adressaten. Da sie aber jeweils Dauercharakter haben, also die Rechte und Pflichten für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum dauerhaft oder wiederkehrend zu bestimmten festen Zeitpunkten festlegen, handelt es sich um individuell-abstrakte Regelungen. Derartige Regelungen wurden von Anfang an auch als Verwaltungsverfügungen (bzw. als Verwaltungsakte) anerkannt und als Mittel des Gesetzesvollzugs zugelassen. . *13 Für die Erfüllung des Einzelfallerfordernisses reicht hier der individuelle Bezug der Regelung auf einzelne bestimmte Personen.

3. Generell-konkrete Regelungen

Unabhängig davon wurde in der Verwaltung aber auch die Notwendigkeit gesehen, anlassbezogen gegenüber einer Vielzahl von Personen gleichzeitig eine etwa zur Gefahrenabwehr erforderliche Regelung zu treffen. In diesen Fällen wird die Regelung zwar als Reaktion auf einen konkreten Anlass, etwa eine konkrete Gefahrensituation, aber gegenüber einer Vielzahl von Personen getroffen. Steht die Zahl der von der Regelung betroffenen Personen bei Erlass der Verfügung namentlich fest, kann also von vornherein oder im Nachhinein festgestellt werden, wer zu dem Personenkreis gehört, der von der Anordnung betroffen ist, spricht man von nicht von Allgemein- sondern von Sammelverfügungen.

 

Beispiele: Eine Verfügung richtet sich „an alle Eigentümer einer bestimmten Straße”. Sie werden verpflichtet, ihre Grundstücke an das gerade errichtete Schmutzwassersiel anzuschließen. Oder: Durch Megaphon wird die Anordnung getroffen, dass alle im Stadion befindlichen Personen aufgefordert werden, das Stadion zu räumen. Hier handelt es sich jeweils um Verwaltungsakte.

 

Problematischer dagegen ist die Konstellation, in der eine Verfügung aus einem konkreten Anlass an eine im Erlasszeitpunkt noch unbestimmte Zahl von Personen gerichtet wird. In diesem Fall wird auf die Individualität der Regelung praktisch verzichtet. Das Einzelfallerfordernis kann dann nur noch durch die Konkretheit der Regelung erfüllt werden. Dies wurde als ausreichend angesehen, wenn der Anlass ein sehr konkreter ist, der sich vor allem zeitlich auf eine bestimmte Situation begrenzen lässt. *14 Insoweit sah man die VA-Qualität noch als erfüllt an. Hierfür prägte Thoma später den Begriff der Allgemeinverfügung. *15 Dabei stellte sich allerdings die Frage, ob sich bei einem Verzicht auf die Bestimmtheit des Personenkreises noch eine Abgrenzung zum Bereich der abstrakt-generellen Regelungen durch Rechtsnormen finden lässt. *16 Es lassen sich praktisch keine generell-konkreten Regelungen denken, weil Regelungen, die eine unbestimmte Zahl von Personen erfassen, notwendigerweise nicht (ganz) konkret sein können, sondern stets zugleich eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betreffen. *17

4. Abstrakt-generelle Gesetze und Einzelfallgesetze

Umgekehrt blieb es auch im Hinblick auf den Gesetzesbegriff nicht bei der systematisch begründeten, letztlich aber auch machtpolitisch motivierten Beschränkung gesetzlicher Bestimmungen auf abstrakt-generelle Regelungen. Es zeigte sich, dass es nicht möglich war, die Kompetenz des Gesetzgebers zur Normsetzung allein aus systematischen Gründen auf abstrakt-generelle Regelungen zu beschränken. Ein vom Parlament in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassenes Gesetz mit einem individuell-konkreten Inhalt bleibt doch ein Gesetz, jedenfalls im förmlichen Sinn. Ob der Gesetzgeber ein Gesetz mit einem individuell-konkreten Inhalt erlassen darf, ist heute keine Frage der Handlungslehre mehr, sondern des übergeordneten Verfassungsrechts. Bereits zur Wende zum 20. Jahrhundert setzte sich die Auffassung durch, dass die Gesetzgebung nicht von vornherein auf abstrakt-generelle Regelungen beschränkt sei, sondern auch Einzelfallgesetze erlassen werden können, also Gesetze, die sich auf bestimmte Personen oder einen bestimmbaren Personenkreis beziehen, *18 soweit das materielle Verfassungsrecht das nicht ausschließt.

II. Wandlungen der Handlungsformenlehre

1. Stadium der logisch-systematischen Handlungsformenlehre

Die Entwicklung der Handlungsformenlehre in Deutschland war Folge der staatsrechtlichen Situation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die eine Abgrenzung der Kompetenzen von Volksvertretungen auf der einen und der monarchisch geprägten Exekutive auf der anderen Seite erforderte. Da sich die Kompetenzen der Volksvertretungen im Wesentlichen auf die Mitwirkung an der Gesetzgebung beschränkten, stand der Begriff des Gesetzes im Mittelpunkt. Ziel war die Entwicklung von Kriterien zur trennscharfen Abgrenzung der verschiedenen in der Praxis auftretenden Maßnahmen und eine die eindeutige Zuordnung zu einer der Kategorien der Handlungsformen. Die Handlungsformenlehre sollte ein Raster bereitstellen, das es ermöglichen sollte, administrative Maßnahmen nach begrifflichen Kriterien und unabhängig von ihrem konkreten Regelungsinhalt einer einzigen Handlungskategorie zuzuordnen. *19 Dieses Ziel erklärt die erheblichen begrifflichen und definitorischen Bemühungen der damaligen Zeit, in der es für die Verwaltung noch keine ordnenden Verfahrensgesetze gab. Die Lücke, die sich wegen des Fehlens gesetzlicher Regelungen auftat, wurde zu einem wesentlichen Teil von der in der Wissenschaft entwickelten Systematik und Rechtsdogmatik geschlossen. Dadurch entstand der Eindruck eines quasi-normativen Charakters der Systematik der Handlungsformen.

2. Gesetzgeberische Bestimmung der Handlungsformen

Thoma *20 stellte als einer der ersten die These von der logisch-begrifflichen Unterscheidbarkeit von Verwaltungsakt und Rechtsverordnung ernsthaft in Frage. Er ging von einer möglichen Parallelität beider Rechtsinstitute aus, weshalb – ganz im Sinn der modernen Handlungsformenlehre – der gesetzgeberischen Entscheidung über die Rechtsform maßgebliche Bedeutung zukommen müsse. Von manchen unbemerkt *21 veränderten sich in Deutschland spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Funktionen und Bedeutung der Handlungsformenlehre. Die Merkmale „abstrakt-generell” und individuell-konkret” traten als Kriterien der begrifflichen Einordnung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungsakten in den Hintergrund; es kommt heute vielmehr darauf an, ob eine Regelung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren in der Form eines Gesetzes oder auf der Grundlage einer speziellen Verordnungsermächtigung in der Form einer Rechtsverordnung erlassen worden ist.. *22 Ein Gesetz verliert danach seinen Rechtscharakter als Gesetz nicht deshalb, weil es keine abstrakt-generellen Regelungen oder weil es Regelungen nur für den Innenbereich der Verwaltung enthält. Gleiches gilt für Rechtsverordnungen und Satzungen. Inzwischen ist allgemein anerkannt,

–     dass der Gesetzgeber an die Kategorien der Handlungsformenlehre nicht gebunden ist, sondern die von ihm eingeführten Instrumente im Rahmen des jeweils beachtlichen Verfassungsrechts eigenmächtig zuordnen kann,

–     dass es keinen numerus clausus der Handlungsformen (mehr) gibt, sondern neben den klassischen weitere Handlungsformen sui generis existieren oder entwickelt werden können,

–     dass sich das Postulat trennscharfer logisch-systematischer Abgrenzung von Handlungsformen nicht aufrechterhalten lässt, weil in materieller Hinsicht Überschneidungen möglich sind.

 

Mit der vom Gesetzgeber oder vom Verordnungsgeber implizit vorgenommenen Einordnung einer Maßnahme in eine der Kategorien der Handlungsformen werden die Weichen *23 für die dazugehörigen Rechtsfolgeregelungen gestellt: Ist entschieden, dass eine bestimmte Maßnahme als Verwaltungsakt anzusehen ist, dann folgt daraus regelmäßig automatisch, welche Verfahrensvorschriften einzuhalten waren, welche Verbindlichkeit sie hat und auf welche Weise Rechtsschutz gewährt werden kann. Auch für die Rechtsverordnung gilt, dass ihr Erlass an bestimmte Vorschriften geknüpft ist, die eingehalten werden müssen, auch wenn im Fachrecht nicht selten darüber hinaus für bestimmte Rechtsverordnungen zusätzliche Anforderungen an das Verfahren usw. gestellt werden können und müssen.

 

Beispiel: So enthält Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG das sog. Zitiergebot, wonach in einer Rechtsverordnung zwingend die Ermächtigungsgrundlage angegeben werden muss, auf welche die Rechtsverordnung gestützt werden soll. Nach Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG werden Rechtsverordnungen von der Stelle, die sie erlässt, ausgefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung im Bundesgesetzblatte verkündet. Für Naturschutzverordnungen beispielsweise stellt das Landesrecht zusätzliche Anforderungen an das Verfahren auf, wie etwa ein Auslegungs- und Einwendungsverfahren (vgl. § 11 Hamburgisches Naturschutzgesetz).

3. Keine Bindung des Gesetzgebers an die Kategorien der Handlungsformenlehre

Der Gesetzgeber ist heute bei der Bestimmung von administrativen Maßnahmen nicht an logisch-systematische Kriterien oder an andere materielle Vorgaben der Rechtsformenlehre gebunden. Er kann – vorbehaltlich der unten behandelten verfassungsrechtlichen oder sonstigen höherrangigen Vorschriften – den von ihm vorgesehenen Maßnahmen vielmehr diejenige Handlungsform zuweisen, die er für die geeignete hält. Ob es sinnvoll ist, in diesem Zusammenhang bei Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Satzungen, die nur einzelne Fälle regeln, von „nur formellen” Gesetzen, „nur formellen” Rechtsverordnungen oder „nur formellen” Satzungen zu sprechen, *24 erscheint zweifelhaft, weil daraus weder für die Einordnung noch für die Frage der Verfassungsmäßigkeit irgendetwas folgt. Maßgebend für das anwendbare Verfahrensrecht, die Anfechtbarkeit und die Verbindlichkeit ist nicht, ob die Regelungen abstrakt-genereller oder individuell-konkreter Natur sind, sondern ob sie „als” Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung, also in der für diese Rechtsnormen maßgeblichen Form von den hierfür zuständigen Gremien bzw. Personen erlassen worden sind.

 

Wenn die Bestimmung der Handlungsformen keine Frage der logisch-systematischen Einordnung, sondern dem Gesetzgeber überlassen ist, führt das allerdings zu einem gewissen Verlust von Systemgerechtigkeit. Dies zeigt sich etwa im Bereich des Planungsrechts, wenn sich neue Planungsinstrumente nicht zuordnen lassen.

 

Beispiele: Der Bebauungsplan ist nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung (in Hamburg nach dem Bauleitplanfeststellungsgesetz *25 als Rechtsverordnung) zu behandeln, obwohl es sich in systematischer Hinsicht ebenso gut um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung handeln könnte, wie das etwa bei den Planfeststellungsbeschlüssen (§§ 72 ff. VwVfG) der Fall ist. *26 Raumordnungspläne sind in einigen Bundesländern als Rechtsverordnungen ausgestaltet, in anderen dagegen als Normen ohne generelle *27 Außenwirkung. Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten (§ 51 Abs. 1 Satz 1 WHG) erfolgt durch Rechtsverordnung; bei Schutzgebieten des Naturschutzrechts ist es nach § 22 Abs. 2 BNatSchG Sache des Landesgesetzgebers, über die Form und Verfahren der Ausweisung zu entscheiden. *28

4. Verfassungsrechtliche Grenzen bei der Wahl der Handlungsform

a) Verfassungsrechtliche Funktionenordnung

Der Gesetzgeber muss bei der Bestimmung der Handlungsform allerdings darauf achten, dass höherrangiges Recht, insbesondere Verfassungsrecht, nicht verletzt wird. Hierzu gehört zunächst die verfassungsrechtliche Funktionenordnung, die sich aus dem Gewaltenteilungskonzept der Verfassung ergibt. *29 Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, in dem der Gesetzgeber die Planung des Abschnitts einer Eisenbahnlinie unmittelbar durch ein Gesetz vorgenommen hatte, aus: *30

„Im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt hierfür die demokratische Legitimation (vgl. BVerfGE 34, 52 (59); 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (87)). Der Exekutive obliegt die Regierung und die Verwaltung (BVerfGE 30, 1 (28)). Zu ihren Aufgaben gehört die Vollziehung von Gesetzen im Einzelfall, wie sich bereits aus der Bezeichnung „vollziehende Gewalt” in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt (vgl. auch BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (67))”.

Nach diesen allgemeinen Formulierungen gelangt das Gericht aber gleichwohl zur Zulässigkeit dieser einzelfallbezogenen Planungsentscheidung über die Eisenbahntrasse. Wörtlich heißt es weiter:

„Dem Grundgesetz kann nicht entnommen werden, dass es von einem Gesetzesbegriff ausgeht, der nur generelle Regelungen zulässt. Dies bestätigen sowohl Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG, der Einzelfallgesetze nicht generell, sondern nur in seinem Gewährleistungsbereich ausschließt, als auch Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, der dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der Enteignung durch Gesetz eröffnet. Mit der Planung eines einzelnen Vorhabens greift der Gesetzgeber mithin nicht notwendig in die Funktion ein, die die Verfassung der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung vorbehalten hat.”

b) Das Verbot von Einzelfallgesetzen

Unabhängig davon, wie man Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG zu verstehen hat, ergibt sich aus der Vorschrift schon ihrem Wortlaut nach kein allgemeines Verbot von Einzelfallgesetzen. Vielmehr heißt es dieser Verfassungsnorm wörtlich:

 

„Soweit … ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muss dies allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten.”

 

Danach werden „Einzelfallgesetze” nur im grundrechtlichen Gewährleistungsbereich ausgeschlossen. Außerdem wird der Begriff des Einzelfallgesetzes sehr eng verstanden. Ein unzulässiges Einzelfallgesetz liegt danach nicht schon dann vor, wenn das Gesetz nur einen oder wenige Anwendungsfälle hat. Vielmehr wird das Verbot des Einzelfallgesetzes lediglich als Ausprägung des Verbots einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung angesehen. Insoweit folgt aus der weitgehend akzeptierten Rechtsprechung des BVerfG, *31 dass die Formulierung „muss dies allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten” lediglich eine willkürliche Einzelfallgesetzgebung ausschließen soll. Insoweit handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG. Gibt es sachliche Gründe dafür, in einem Gesetz nur einen einzigen Fall zu regeln, dann liegt kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG vor. Dies gilt konsequenterweise nicht nur für das Parlamentsgesetz, sondern auch für Rechtsverordnungen, *32 die sich ja auf eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung stützen müssen, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt.

Auch Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG kann als Beleg herangezogen werden, der dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit der Enteignung durch Gesetz eröffnet. Von dieser Möglichkeit darf der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG *33 zwar nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen, er wird aber nicht durch die Handlungsformenlehre daran gehindert. Vor dem Hintergrund der normativen Handlungsformenlehre sind die beiden hier interessierenden Handlungsformen – Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung – zunächst voneinander getrennt daraufhin zu untersuchen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit man jeweils getroffene Regelungen der einen oder anderen Handlungskategorie zuordnen kann.

5. Handlungsformen sui generis

Wenn der Gesetzgeber bzw. die erlassende Behörde die Rechtsform nicht ausdrücklich durch entsprechende Bezeichnung bestimmt hat und sich aus der Wahl des Verfahrens auch keine Rückschlüsse auf die vom Urheber beabsichtigte Rechtsform ziehen lassen, scheidet eine Zuordnung nach formellen Kriterien ausnahmsweise aus. Dann erst werden die in der Rechtsdogmatik entwickelten materiellen Abgrenzungskriterien relevant. Man wird dann versuchen, die vom Gesetzgeber vorgesehene Maßnahme einer der klassischen Handlungsformen zuzuordnen. Auch dann ist aber denkbar, dass es sich um Hoheitsakte sui generis handelt, die sich keiner der geregelten Handlungstypen zwanglos zuordnen lassen.

 

Beispiele: Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen gem. § 5 TVG (BVerfGE 44, 322 (338); 80, 355 (364)); teilweise die Regionalpläne des Raumordnungsrechts (vgl. BVerwGE 120, 87 (96)).

 

Es ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, in solchen Fällen die Maßnahmen einer der klassischen Handlungsformen zuzuordnen. Es gibt keinen numerus clausus der Handlungsformen. *34 Lässt sich ein Handlungstypus keiner der klassischen Handlungsformen zuordnen, kommt auch eine Einordnung als Handlungsform „sui generis” in Betracht. Allerdings muss bei Hoheitsakten sui generis jeweils entschieden werden, welche Regeln hinsichtlich des Verfahrens, der Verbindlichkeit und der Anfechtbarkeit gelten sollen. Diese Aufgabe muss ggfs. die Rechtsprechung übernehmen.

 

Beispiele: So hat die Rechtsprechung die Möglichkeit einer Normenkontrolle von Flächennutzungsplänen mit Konzentrationsflächen angenommen, obwohl es sich bei den Flächennutzungsplänen regulär nicht um Satzungen oder Rechtsverordnungen handelt (BVerwGE 128, 382 (384); 117, 287 (292); 118, 217 (225)). Gleiches gilt auch für die Festlegung von Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) in solchen Raumordnungsplänen, die nach der landesrechtlichen Ausgestaltung der Raumordnungsplanung keine Rechtsverordnungen sind.

III. Die Allgemeinverfügung

1. Die gesetzliche Definition der Allgemeinverfügung

Als Allgemeinverfügung bezeichnet § 35 Satz 2 VwVfG einen Verwaltungsakt,

 

„der sich entweder an einen nach allgemeinen Kriterien bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet (personale Allgemeinverfügung) oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache bzw. ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft (dingliche Allgemeinverfügung).”

 

Damit muss die Allgemeinverfügung zunächst sämtliche Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsakts (§ 35 Satz 1 VwVfG) erfüllen und dann in Bezug auf den Einzelfall den Modifizierungen des § 35 Satz 2 VwVfG genügen. Dabei geht es um eine Modifizierung im Hinblick auf die von der Verfügung betroffenen Adressaten, bei denen es sich um Personenmehrheiten handelt, die zwar bestimmbar sein muss, aber im Zeitpunkt des Erlasses noch nicht individuell feststeht. Diese Modifizierungen werfen sowohl in der ersten Alternative (personale Allgemeinverfügung) als auch in der zweiten (dingliche Allgemeinverfügung) Abgrenzungsprobleme auf, weil insoweit brauchbare Kriterien zur Begrenzung ihres Anwendungsbereichs gesucht werden müssen. Da die Verwaltungsbehörden nur im Rahmen gesetzlicher Ermächtigungen (Delegation oder Autonomie) zum Erlass von Rechtsnormen berechtigt sind, dürfen sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mit Hilfe des Instruments der Allgemeinverfügung abstrakt-generelle Normsetzung betreiben. *35

a) Personale Allgemeinverfügung

Als personale Allgemeinverfügung lässt sich nach der gesetzlichen Definition eine (konkrete) hoheitliche Regelung einer Verwaltungsbehörde mit Außenwirkung bezeichnen, die sich an eine nach allgemeinen Kriterien bestimmbare Personenmehrheit richtet und insoweit genereller Natur ist. Dass der Personenkreis bestimmbar sein muss, unterscheidet die personale Allgemeinverfügung nicht prinzipiell von einer Rechtsnorm, die sich jedenfalls typischerweise auch an einen unbestimmten, aber bestimmbaren Adressatenkreises richtet. Was den sachlich-inhaltlichen Anknüpfungspunkt anlangt, wird aber weiterhin die Regelung eines Einzelfalls verlangt, d.h. die personale Allgemeinverfügung muss gegenüber dem betroffenen Personenkreis eine konkrete Regelung treffen. Konkret ist die Regelung dann, wenn sie von den verpflichteten Personen in einer konkreten Situation ein konkretes Verhalten (Tun, Dulden oder Unterlassen) verlangt. Die Abgrenzung von hinreichend konkreten von abstrakten Pflichten kann Schwierigkeite machen,weil sie sich typischerweise nicht auf einen ganz konkreten „Augenblick” beziehen, also einen bestimmten Zeitpunkt (dann wäre der Personenkreis nämlich bestimmt), sondern auf einen zwar konkreten Anlass, der sich in der Lebenswirklichkeit über einen gewissen Zeitraum hinziehen kann und damit eine Tendenz zur abstrakten Regelung aufweist. Schon die Beispiele bei Thoma belegen dies, wenn der Anlass für eine konkrete Regelung etwa das Auftreten eines Schädlings in den Weinbergen oder der Ausbruch einer Tierseuche in einem bestimmten Gebiet ist. Aber auch die in neuerer Zeit aufgetretenen Fallkonstellationen zeigen dies deutlich:

 

Beispiele: Die Auflösung einer Versammlung *36 durch eine per Megaphon bekanntgegebene Verfügung, die akustisch nicht von allen Teilnehmern zur Kenntnis genommen werden kann, gilt auch für diejenigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt dazu stoßen und erst später Kenntnis erhalten. Das über den Rundfunk bekannt gegebene Verbot, in einem bestimmten räumlichen Einzugsbereich Endiviensalat zu verkaufen, gilt für den vorhandenen Salat nicht nur im Augenblick der Bekanntgabe, sondern auch für einen begrenzten weiteren Zeitraum (BVerwGE 12, 87 (89)). Für die Dauer einer bestimmten Veranstaltung wird ein Versammlungsverbot erlassen; *37 Angehörigen einer „Drogenszene” gegenüber wird ein polizeilicher Platzverweis, verbunden mit einem zeitlich befristeten Betretensverbot erlassen (VGH Mannheim NVwZ-RR 1997, 225; NVwZ 2003, 115). Der Erlass eines allgemeinen Fahrverbots wegen Nebels oder aus anderen Gefahrengründen wird ebenfalls als Allgemeinverfügung einzustufen sein. *38 Problematisch dagegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten in Hannover für die Dauer der Weltausstellung durch Allgemeinverfügung (nach VG Hannover NVwZ-RR 2001, 307, 309 zulässig).

 

Um in diesen Fällen noch von einer Verfügung im (konkreten) Einzelfall sprechen zu können, wird man einen zeitlich und räumlich begrenzten Bereich und einen Anlass verlangen müssen, der den Geltungsbereich der Verfügung in beiderlei Hinsicht angemessen begrenzt. *39 Die Konkretheit der Maßnahme ergibt sich im ersten Beispielsfall aus der Versammlung als eines einzelnen Vorgangs, im zweiten Beispielsfall aus der räumlich und zeitlich konkret aufgetretenen Seuchengefahr. Lässt man den konkreten Anlass in diesen Fällen ausreichen, dann ist es unschädlich, dass die Allgemeinverfügung über einen gewissen Zeitraum in für die einzelnen Betroffenen letztlich doch unterschiedlichen Lebenssituationen Wirkungen auslöst.

Unabhängig von der Frage, ob derartige Allgemeinverfügungen noch hinreichend einzelfallbezogen und damit als Allgemeinverfügung zulässig sind, steht außer Frage, dass in den genannten Fällen auch eine Rechtsverordnung erlassen werden dürfte, wenn hierfür die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stünde. *40 Ob in diesen Fallkonstellationen eine Allgemeinverfügung erlassen werden darf, mag im Hinblick auf die Regelung in § 35 Satz 2 VwVfG zweifelhaft sein. Der Gesetzgeber ist indessen nicht gehindert, ebenso wie bei der Rechtsverordnung auch den Bereich der Allgemeinverfügung auszudehnen, *41 solange damit nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, insbesondere gegen das Gewaltenteilungskonzept des Grundgesetzes verstoßen wird.

b) Die dingliche Allgemeinverfügung

Als vergleichsweise weniger problematisch erweisen sich die dinglichen Allgemeinverfügungen, bei denen es um hoheitliche Verfügungen von Verwaltungsbehörden geht, mit denen die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache festgelegt, geändert oder aufgehoben wird oder mit denen die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit geregelt wird. *42

aa) Festlegungen der öffentlichen Eigenschaft einer Sache

Durch Allgemeinverfügung lassen sich auf gesetzlicher Grundlage *43 bewegliche und unbewegliche Sachen dem Gemeingebrauch oder auch dem Verwaltungsgebrauch widmen. Dabei geht es vor allem um die Möglichkeit, öffentliche Straßen und Wege nach den Straßen- und Wegegesetzen des Bundes und der Länder dem Gemeingebrauch zu widmen (vgl. § 2 FStrG), d.h. sie zu einer öffentlichen Sache werden zu lassen, sie einzustufen und umzustufen usw. Darüber hinaus kommt eine Widmung durch Allgemeinverfügung aber auch bei anderen Sachen in Betracht, etwa bei Wasserflächen, Parkanlangen usw. Durch die Widmung wird in diesen Fällen unmittelbar das Recht der Allgemeinheit oder einer bestimmten Personengruppe begründet, die öffentliche Sache im Rahmen der durch die Widmung definierten Zweckbestimmung der Sache zu nutzen. Teilweise werden auch Organisationsakte, die sich auf die Zweckbestimmung öffentlicher Einrichtungen beziehen, als Allgemeinverfügungen eingestuft. *44 Häufiger ist indessen wohl der Erlass von Organisationsregelungen durch Rechtsverordnungen oder Satzungen.

bb) Regelung der Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit

Die dritte Alternative des § 35 Satz 2 VwVfG betrifft Verwaltungsakte, durch welche die Benutzung einer (in der Regel unbeweglichen) Sache durch die Allgemeinheit geregelt wird. Erfasst werden auch Fälle, in denen eine Benutzung nur durch einzelne Personengruppen, also nur Teile der Allgemeinheit, vorgesehen wird. Ähnlich wie bei der Festlegung von öffentlichen Eigenschaften von Sachen wird eine unbestimmte, aber bestimmbare Zahl von Personen, nämlich die jeweiligen Nutzer der Sache, von der Regelung betroffen, wobei sich die Konkretheit der Regelung aus der Beschränkung der Regelung auf eine bestimmte Sache ergibt.

 

Beispiele: In den meisten Fällen handelt es sich um Benutzungsregelungen für kommunale Einrichtungen wie etwa Museen, Schwimmbäder, Bibliotheken, Kindergärten und andere Einrichtungen der Daseinsvorsorge. *45

 

Es steht den Kommunen frei, derartige Regelungen nicht durch Allgemeinverfügung, sondern durch eine kommunale Satzung, also durch eine Rechtsnorm zu treffen. Viele Gemeinden erlassen Benutzungsordnungen für ihre kommunalen Einrichtungen tatsächlich nicht durch Allgemeinverfügungen, sondern durch gemeindliche Satzung (Benutzungssatzung). *46

Die Regelung der Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit erfordert aber in jedem Fall eine gesetzliche bzw. eine rechtliche Grundlage, unabhängig davon, ob sie durch eine Allgemeinverfügung oder durch eine Rechtsverordnung oder Satzung erfolgt. Die Ermächtigung zum Erlass von Benutzungssatzungen folgt aus der gemeindlichen Satzungsautonomie, wonach die Gemeinde berechtigt ist, die Benutzung der von ihr betriebenen Einrichtungen durch Satzungen zu regeln. *47 Die Ermächtigung zum Erlass von Benutzungsregelungen durch Allgemeinverfügungen soll aus dem Gedanken des Hausrechts bzw. der Anstaltsgewalt folgen. *48 Als Ermächtigung reichen Satzungsgewalt, Hausrecht und Anstaltsgewalt allerdings nur aus, soweit es um gemeindliche Einrichtungen der Daseinsvorsorge geht, nicht im Hinblick auf Einrichtungen mit Zwangscharakter. Nicht ausreichend sind Hausrecht und Anstaltsgewalt, soweit es um die Regelungen im Bereich des Strafvollzugs geht. Insoweit ist eine spezielle gesetzliche Ermächtigung erforderlich, weil es hier nicht um Daseinsvorsorge im Bereich der Selbstverwaltung geht, sondern um Eingriffsverwaltung und Gefahrenabwehr. *49

2. Die Rechtsfolgen der Einordnung als Allgemeinverfügung

Für die Allgemeinverfügung gelten sämtliche auch sonst für Verwaltungsakte maßgeblichen Regelungen über Verfahren, Verbindlichkeit und Anfechtbarkeit. Das bedeutet, dass die Allgemeinverfügung grundsätzlich im Rahmen des regulären – formlosen - Verwaltungsverfahrens erlassen wird, dass sie mit ihrer Bekanntgabe (§ 41 VwVfG) unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit Verbindlichkeit (§ 43 VwVfG) erlangt und dass sie mit Widerspruch (§ 68 VwGO) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden kann. Für das Verfahren gelten allerdings drei wesentliche Modifizierungen:

–     Nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist. Insoweit kommt es auf den Inhalt der Allgemeinverfügung und die Umstände an, unter denen sie erlassen werden soll. *50

–     Nach § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG darf eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Dies wird wegen der typischerweise unbestimmten Anzahl von betroffenen Personen in der Regel der Fall sein.

–     Nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG bedarf es im Falle einer öffentlichen Bekanntgabe der Allgemeinverfügung keiner Begründung.

 

Für Verkehrszeichen, die in Deutschland als Allgemeinverfügungen angesehen werden, gelten im Hinblick auf Bekanntgabe und Anfechtbarkeit besondere Regelungen. So werden Verkehrszeichen mit dem Aufstellen an Ort und Stelle öffentlich, d.h. gegenüber allen Verkehrsteilnehmern bekannt gegeben, wenn sie für die Verkehrsteilnehmer sichtbar sind (Sichtbarkeitsprinzip). Sie können von jedem Verkehrsteilnehmer angefochten werden, für den das Verkehrszeichen in einer konkreten Situation Wirksamkeit entfaltet.

IV. Die Rechtsverordnung

1. Formen exekutiver Normsetzung

In Deutschland haben sich im Wesentlichen drei Formen exekutiver Normsetzung herausgebildet: Die Rechtsverordnung, die Satzung und die Verwaltungsvorschrift. Dies schließt nicht aus, dass es – etwa im Bereich der Planung – auch noch weitere Formen exekutiver Normsetzung „sui generis” geben kann, die sich keiner der drei Grundformen zuordnen lassen. Die Rechtsverordnung ist verfassungsrechtlich in Art. 80 GG bzw. in den entsprechenden (weitgehend gleichlautenden) Vorschriften der Verfassungen der Länder klar umrissen. Bei dem Erlass von Rechtsverordnungen handelt sich um Normsetzung kraft gesetzlicher Delegation: Erforderlich ist eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß genau umschriebene gesetzliche Ermächtigung von Regierung oder einzelnen Mitgliedern derselben zum Erlass der Rechtsverordnung. Obwohl sie in der Hierarchie der Rechtsnormen unter den Gesetzen stehen, sind Rechtsverordnungen Gesetze im materiellen Sinn; ihre Verbindlichkeit entspricht den förmlichen Gesetzen.

 

Beispiele: Zu den praktisch wichtigsten Rechtsverordnungen gehören in Deutschland die Straßenverkehrsordnung (StVO), erlassen auf der Grundlage von §§ 5b, 6 StVG, die Baunutzungsverordnung, erlassen auf der Grundlage von § 9a BauGB, sowie die diversen Rechtsverordnungen zur Ausführung des BImSchG.

 

Satzungen werden von unterstaatlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts (Kommunen, Sozialversicherungsträger, berufsständische Kammern) im Rahmen ihrer Selbstverwaltung kraft Autonomie erlassen: Erforderlich ist hier die Einräumung oder Übertragung von Satzungsautonomie im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltung. Satzungen enthalten i.d.R. Rechtsnormen im materiellen Sinn, die allerdings nur für die der Selbstverwaltung unterworfenen Personen verbindlich sind. Sie müssen sich inhaltlich aber innerhalb der Grenzen gültiger Gesetze und Rechtsverordnungen halten.

 

Beispiele: Gebühren- und Beitragssatzungen, Satzungen über die Benutzung öffentlicher Einrichtungen, Bebauungspläne der Gemeinden nach § 10 BauGB.

 

Verwaltungsvorschriften werden entweder innerhalb von Behörden zur Regelung der innerbehördlichen Tätigkeit oder von übergeordneten Behörden gegenüber den untergeordneten Behörden erlassen. Es handelt sich um Normsetzung kraft Hierarchie im Binnenbereich der Verwaltung: Übergeordnete Behörden oder Stellen innerhalb von Behörden können, soweit ihr Direktionsrecht reicht, den untergeordneten gegenüber Verwaltungsvorschriften erlassen. Bei diesen handelt es sich regelmäßig nicht um Rechtsnormen im materiellen Sinn, weil sie nur für die nachgeordneten Behörden und nachgeordnete Mitarbeiter verbindlich sind, regelmäßig aber nicht für den Bürger und die Gerichte. *51

2. Begriffsmerkmale der Rechtsverordnung

a) Formelle Voraussetzungen

Als Rechtsverordnungen lassen sich nach deutschem Verfassungsrecht solche Rechtsnormen bezeichnen, die auf der Grundlage einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigung und unter ausdrücklicher Ausnutzung dieser Ermächtigung von einem Adressaten der Ermächtigung erlassen werden (Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG). Die Rechtsnorm muss also erstens von einem ermächtigten Adressaten stammen, zweitens erkennen lassen, dass sie auf der Grundlage einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung *52 erlassen wird, drittens ausgefertigt und viertens ordnungsgemäß verkündet werden. Da die Angabe der Rechtsgrundlage Wirksamkeitsvoraussetzung für die Rechtsverordnung ist (sog. Zitiergebot, s. unten), ist in der Praxis sichergestellt, dass sich aus der Rechtsverordnung selbst mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass eine Rechtsnorm in Form einer Rechtsverordnung erlassen werden sollte. Weitere Hinweise darauf, dass eine Rechtsverordnung erlassen werden sollte, ergeben sich aus der Ausfertigung und der Verkündung (vgl. Art. 82 Abs. 2 GG).

b) Materielle Voraussetzungen

Auf den materiellen Regelungsinhalt der Rechtsnorm kommt es für die Qualifizierung als Rechtsverordnung grundsätzlich nicht an, wenn in formeller Hinsicht die Voraussetzungen einer Rechtsverordnung vorliegen. *53 Es ist also nicht erforderlich, dass die Rechtsnorm die Kriterien erfüllt, nach denen herkömmlich über das Vorliegen eines Gesetzes im materiellen Sinn entschieden wird. Wenn sich die Rechtsnorm auf eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung stützt, dann ist sie als Rechtsverordnung auch dann zu qualifizieren, wenn und insoweit als sie lediglich Regelungen für den staatlichen Binnenbereich enthält. Es ist also möglich, dass eine Rechtsverordnung lediglich Fragen regelt, für die auch eine Verwaltungsvorschrift ausreichend wäre, sofern sie für sich eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der Regelungen in Anspruch nimmt.

Die rechtliche Einordnung einer Vorschrift als Rechtsverordnung wird auch nicht dadurch berührt, dass sie keinen abstrakt-generellen Inhalt hat, sondern ganz oder teilweise Regelungen mit individuell-abstrakten oder sogar individuell-konkreten Regelungen trifft. Ein derartiger Inhalt mag hinsichtlich der Rechtmäßigkeit Fragen aufwerfen (s. unten), ändert aber nichts an der Rechtsqualität, sofern es sich um einen Fall der Normsetzung auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage handelt.

3. Verfassungsrechtliche Grenzen für den Erlass von Rechtsverordnungen

Dass es sich bei einer Rechtsvorschrift begrifflich um eine Rechtsverordnung handelt, bedeutet noch nicht, dass sie auch rechtmäßig und wirksam ist. Hierfür müssen sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt sein; in materieller Hinsicht darf kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vorliegen. Anders als bei Verwaltungsakten kennt das deutsche Recht grundsätzlich keine Bestandskraft rechtswidriger Rechtsverordnungen. Es gilt vielmehr – jedenfalls im Grundsatz – das sog. Nichtigkeitsdogma: Wenn eine Rechtsverordnung gegen höherrangiges Recht verstößt, ist sie grundsätzlich nichtig. *54 Allerdings kennt die Rechtsordnung inzwischen diverse Fälle, in denen formelle und materielle Fehler von Rechtsverordnungen geheilt oder sogar unbeachtlich sein können. Hierfür bedarf es aber stets besonderer gesetzlicher Regelungen, die – im Einklang mit Verfassungsrecht – Ausnahmen vom Nichtigkeitsgrundsatz statuieren.

a) Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

Der Erlass auf Grundlage einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung ist nicht nur begriffliches Merkmal von Rechtsverordnungen, sondern auch Rechtmäßigkeits- und Wirksamkeitsvoraussetzung. Jede Rechtsverordnung bedarf einer gesetzlichen Grundlage, in der Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend genau bestimmt sind (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Anderenfalls ist sie – jedenfalls im Grundsatz – nichtig und kann keine Rechtswirkungen erzeugen.

Wegen der besonderen Bedeutung der Ermächtigung ist Voraussetzung für die Geltung einer Rechtsverordnung, dass sie die Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich nennt (Zitiergebot, Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG). Eine Rechtsverordnung, in der die gesetzliche Ermächtigung nicht angegeben wird, ist nichtig. *55 Hinzu kommt, dass nach deutschem Verfassungsrecht der Kreis der Delegatare, also derjenigen Behörden oder Gremien, die zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt werden dürfen, begrenzt ist. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG dürfen in Bundesgesetzen nur die Bundesregierung, die Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden. Allerdings sieht die Verfassung in Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG die Möglichkeit einer Subdelegation, also einer Weiterübertragung der Ermächtigung auf andere Stellen, vor. Eine Weiterübertragung bedarf allerdings einer entsprechenden Zulassung im ermächtigenden Gesetz und des Erlasses einer Delegationsverordnung, mit der die Ermächtigung weiterübertragen wird.

Schließlich muss das für den Erlass der Rechtsverordnung vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden sein. Die Verfassung selbst sieht eine Beteiligung der (betroffenen) Öffentlichkeit zwar nicht vor; die gesetzliche Ermächtigung kann aber Vorgaben für das Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung machen. *56 In jedem Fall muss ein Beschluss der zum Erlass der Rechtsverordnung ermächtigten Stelle gefasst werden. Ferner muss die Rechtsverordnung ausgefertigt und nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften verkündet werden (Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG).

b) Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

Rechtsverordnungen dürfen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Sie müssen damit nicht nur der gesetzlichen Ermächtigung entsprechen, sondern grundsätzlich auch dem gesamten sonstigen einschlägigen Gesetzesrecht, der Verfassung und ggfs. dem Unionsrecht. Im Folgenden werden nur einige typische verfassungsrechtliche Fragen behandelt.

aa) Verbot von Einzelfallregelungen?

Grundsätzlich können durch Rechtsverordnung auch Einzelfallregelungen getroffen werden. Insoweit gelten dieselben Grundsätze, wie sie oben für Parlamentsgesetze dargestellt worden sind. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet zwar grundrechtseinschränkende Regelungen, die „nur für den Einzelfall gelten”. Damit werden nach deutschem Verfassungsrecht aber abstrakt-generelle Regelungen nicht ausgeschlossen, die einen so engen Anwendungsbereich haben, dass sie de facto nur auf wenige Personen oder sogar nur auf eine einzige Person zur Anwendung kommen. Bei derartigen Regelungen kommt es darauf an, ob darin ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung liegt, ob also die von der Rechtsverordnung erfassten Personen ohne rechtfertigenden Grund einer besonderen Regelung unterworfen werden. *57 Es ist deshalb grundsätzlich möglich, bei Vorliegen sachlicher Gründe Regelungen zu treffen, die de facto nur auf bestimmte Personen zur Anwendung kommen, auch wenn sie namentlich bekannt sein sollten. Das bedeutet, dass Einzelfallregelungen in Gesetzen oder Rechtsverordnungen rechtfertigungsbedürftig sind im Hinblick auf

–     die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz (Art.  3 Abs. 1 GG),

–     die Vereinbarkeit mit der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG),

–     ggfs. die Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 3 GG,

–     allgemeine Grundsätze der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 1 GG).

 

Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frage, ob mit einer Einzelfallregelung in einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung der Rechtsschutz des Betroffenen ohne rechtfertigenden Grund beschränkt wird. Dabei ist nämlich stets zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte und Allgemeinverfügen durch die Klage vor den Verwaltungsgerichten regelmäßig einfacher erreichbar ist als der unmittelbare Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen.

 

Beispiel: So hat das BVerfG *58 eine Straßenplanung durch ein Parlamentsgesetz zugelassen, weil nach der Wiedervereinigung ein gesteigertes Bedürfnis für eine rasche Verbesserung der Straßeninfrastruktur bestanden habe.

bb) Parlamentsvorbehalt, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG

Zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für Rechtsverordnungen gehört außerdem die Einhaltung des Parlamentsvorbehalts, wonach bestimmte besonders wichtige Regelungen nur durch ein Parlamentsgesetz geregelt werden dürfen. Dies ist in Deutschland Ausdruck der sog. Wesentlichkeitslehre des BVerfG, *59 wonach das Parlament wichtige Fragen nicht an den Verordnungsgeber delegieren darf sondern selbst entscheiden muss. Es ist allerdings zweifelhaft, ob damit über Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinausgehende Anforderungen gestellt werden. *60

cc) Berücksichtigung eines Verwaltungsvorbehalts?

Teilweise wird gefordert, dass im Zuge der Normsetzung durch Gesetz- und Verordnungsgeber auch auf einen Verwaltungsvorbehalt Rücksicht genommen werden müsse, also auf einen Bereich, der nur der Regelung durch die Exekutiver zugänglich sei. Diese Auffassung hat sich allerdings in Deutschland zu Recht nicht durchgesetzt. Einen der Verwaltung vorbehaltenen eigenen gewissermaßen gesetzesfreien Bereich gibt es grundsätzlich nicht.

IV. Fazit

1. Die Handlungsformenlehre bindet den Gesetzgeber bei der Wahl der gesetzlich vorgesehenen Handlungsformen grundsätzlich nicht. Es steht dem Gesetzgeber vielmehr grundsätzlich frei, ob er Regelungen durch Rechtsverordnung oder durch andere Handlungsformen zulassen will. Insoweit ergeben sich Bindungen nur durch höherrangiges Recht, insbesondere durch Verfassungsrecht.

2. Die Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich auf einen Personenkreist bezieht, der bei seinem Erlass noch nicht feststeht. Da Verwaltungsakte nach dem verfassungsrechtlichen Konzept der Gewaltenteilung grundsätzlich nicht abstrakt-genereller Natur sein dürfen, ist der Erlass von Allgemeinverfügungen auf konkrete, d.h. bei Erlass bereits vorliegende Anlässe oder bestehende Sachen beschränkt.

3. Eine Allgemeinverfügung ist als Sonderform des Verwaltungsakts grundsätzlich zulässig, wenn der Gesetzgeber eine Ermächtigung für den Erlass von Verwaltungsakten vorsieht. Sie darf sich auf einen unbestimmten, aber bestimmbaren Kreis von Personen beziehen, soweit dies nach Lage der Dinge erforderlich ist, um den erforderlichen Regelungszweck zu erreichen. Für sie gelten im Hinblick auf Anhörung, Begründung und Bekanntgabe besondere Regelungen.

4. Eine Rechtsverordnung ist eine Rechtsnorm, die sich auf eine gesetzliche Verordnungsermächtigung stützt. Dies ist nach deutschem Recht im Normalfall bereits daran erkennbar, dass sie die gesetzliche Ermächtigung ausdrücklich bezeichnet (sog. Zitiergebot). Sie muss im Übrigen in der für Rechtsverordnungen vorgeschriebenen Weise veröffentlicht worden sein. Eine Rechtsverordnung setzt begrifflich nicht voraus, dass die getroffenen Regelungen abstrakt-genereller Natur sind und dass gegenüber dem Bürger materielles Recht gesetzt wird.

5. Die Rechtsverordnung ist nach deutschem Verfassungsrecht nicht zwingend auf abstrakt-generelle Regelungen beschränkt; sie darf vielmehr auch konkrete Regelungen enthalten. Individuelle Regelungen, die Rechte und Pflichten namentlich bezeichneter Personen regeln, sind grundsätzlich nicht zulässig. Verfassungsrechtlich zulässig können aber generell formulierte Regelungen sein, die tatsächlich nur auf wenige individualisierbare Betroffene zur Anwendung kommen.

6. Rechtsverordnungen sind begrifflich auch Bereichen möglich, in denen Regelungen auch durch Allgemeinverfügungen getroffen werden können. Für die Frage, ob Regelungen durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung) getroffen werden können, ist die gesetzliche Grundlage maßgeblich, die allerdings an höherrangigem Recht, insbesondere am Verfassungsrecht gemessen werden muss. Hier spielt auch die Frage eine Rolle, ob durch die Wahl der Rechtsverordnung als Regelungaform der Rechtsschutz der Betroffenen unzumutbar erschwert wird.

 

DOI

pp.69-83