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JURIDICA INTERNATIONAL. LAW REVIEW. UNIVERSITY OF TARTU (1632)

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20 years of the Estonian Constitution

XIX/2012
ISBN 978-9985-870-29-7

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Vertragsfreiheit und ihre Grenzen im Ehevertragsrecht

1. Einführung

Dem Familienrecht ist im estnischen Recht ein relativ hohes Maß an Imperativität zu eigen, so sind die Form der Eheschließung und ihre rechtlichen Folgen gesetzlich festgelegt worden, auch sind die Rechte und Pflichten der Eltern und des Kindes vom Gesetzgeber festgelegt worden. Es handelt sich aber nicht um ein Spezifikum des estnischen Rechts und in der juristischen Literatur wird daher der Standpunkt vertreten, dass die imperativen Normen, die im Familienrecht enthalten sind, teilweise unter den Regulierungsbereich des öffentlichen Rechts fallen (zum Beispiel die Eheschließung und ihre rechtlichen Folgen).  *1 Auch die güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten, deren privatrechtlicher Charakter nicht angezweifelt werden dürfe und welche wegen der Natur ihrer Interessen dem freien Willen der Eheleute zur Gestaltung überlassen werden sollten, sind vom Gesetzgeber doch genau festgelegten Regeln unterworfen.

Am 1. Juli 2010 trat in Estland das neue Familiengesetz  *2 (FamG) in Kraft. Die vermögensrechtlichen Verhältnisse zwischen den Ehepartnern werden vom Kapitel vier FamG geregelt. Im Vergleich zu dem früher geltenden Recht  *3 haben im neuen Gesetz vor allem die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehepartner umfangreiche Reformen durchgemacht. Als das Wichtigste sollte die Vereinheitlichung der vermögensrechtlichen Verhältnisse eingestuft werden, d. h. das FamG legt ausgehend vom Grundsatz des im Sachenrecht überwiegenden sog. numerus clausus die Arten der vermögensrechtlichen Verhältnisse fest  *4 , woraus die Ehepartner sich die nur unter im Gesetz genau festegelegten Typen geeignete auswählen können, um ihre Vermögensbeziehungen zu regeln.  *5 Neben der Auswahl der vermögensrechtlichen Verhältnisse (oder stattdessen) können die Ehepartner auch einen Ehevertrag abschließen. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich um den Ausdruck eines Grundprinzips des Privatrechts – der Privatautonomie – handelt: in § 19 Abschnitt 1 der Verfassung der Republik Estland  *6 gehört die Vertragsfreiheit zu den geschützten Gegenständen  *7 , ist der Ehevertrag mehreren sowohl direkt vom Gesetz ausgehenden als auch den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts entspringenden Einschränkungen unterworfen. Grundsätzlich ist aber niemand auch im Familienrecht zu einem Abschluss eines Vertrages verpflichtet, d. h. beide Parteien können einen Vertrag abschließen, indem sie vom Selbstbestimmungsrecht ausgehen  *8 , aber die Freiheit, den Inhalt des Ehevertrages als den eines Geschäfts zu gestalten, ist eingeschränkt. Im Folgenden werden das rechtliche Wesen des Ehevertrages, die Voraussetzungen seines Abschlusses und die Möglichkeiten, seinen Inhalt zu gestalten, analysiert. Die Autorinnen versuchen eine Antwort auf die Frage zu finden, wie viel Raum bleibt beim Abschließen eines Ehevertrages der Privatautonomie der Ehepartner und wie unterscheidet man einen Ehevertrag von weiteren güterrechtlichen Abmachungen zwischen den Ehepartnern. Da das Vorbild für das neue estnische Familiengesetz größtenteils das deutsche Familienrecht war, werden einzelne Rechtsinstitute vergleichend zu dem deutschen Recht betrachtet.

2. Ehevertrag als ein Rechtsgeschäft

2.1. Allgemeines

Ehevertrag ist ein Rechtsinstitut, das eine gegenseitige Vereinbarung zwischen den Ehepartnern über die Regelung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse untereinander beinhaltet.  *9 Der Kommentar, der von dem estnischen Justizministerium dem Entwurf des Familiengesetzes beigelegt wurde, spricht über den Ehevertrag wie über eine Vereinbarung, die im vollen Maße oder in einem entsprechend festgelegten Maße das frühere Regime, das bezüglich der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehepartner galt, verändert.  *10 Solch eine Definition, die ein bereits existierendes vermögensrechtliches Verhältnis unter den Ehepartnern, das der Ehevertrag ändern soll, voraussetzt, ist jedoch etwas irreführend. Ein Ehevertrag setzt bezüglich der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten kein Vorhandensein eines bereits gültigen güterrechtlichen Regimes voraus. Laut § 59 Abs. 2 FamG kann ein Ehevertrag sowohl vor der Eheschließung als auch während der Ehe abgeschlossen werden. Ein Ehevertrag, der vor der Eheschließung abgeschlossen wurde, wird am Tag der Eheschließung gültig. Somit kann mit einem Ehevertrag auch eine Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten festgelegt werden, die durch das Inkrafttreten der Ehe gültig wird. Falls die Ehegatten bei der Eheschließung bezüglich ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse eine Wahl getroffen haben, können sie dies mit einem Ehevertrag ändern. Wenn die Ehegatten keine vermögensrechtlichen Verhältnisse auswählen, dann werden gemäß § 24 Abs. 2 FamG auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten die vermögensrechtlichen Verhältnisse einer Gütergemeinschaft der Ehegatten angewandt.  *11 Auch diese vermögensrechtlichen Verhältnisse können die Ehegatten mit Hilfe eines späteren Ehevertrages ändern.

Da es sich im Allgemeinen um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft handelt, sind dann auf den Ehevertrag auch alle allgemeinen Bestimmungen, welche die Gültigkeit der Rechtsgeschäfte regeln, anwendbar – dies sowohl im Bezug auf den Vertragsabschluss als auch seine Gültigkeit.

Die rechtliche Bedeutung des Ehevertrages gegenüber den Dritten wird im § 61 Abs. 2 und 3 FamG festgelegt. Haben die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand ausgeschlossen oder geändert, so haben diese Veränderungen nur dann einer Dritten gegenüber rechtliche Bedeutung, wenn der Ehevertrag im Güterrechtsregister eingetragen oder der Dritten bekannt war.

2.2. Das Wesen des Ehevertrages

In der estnischen Rechtsliteratur vertritt man klar und deutlich die Auffassung, dass ein Ehevertrag ein Verfügungsgeschäft ist.  *12 Beide Seiten verfügen über die Möglichkeit, mit Hilfe eines Ehevertrages das sachenrechtliche Regime des den Ehegatten gehörenden Vermögens zu regeln – so könnte ein Ehevertrag wie eine Verfügung behandelt werden, welche die Anwendung der gesetzmäßigen rechtlichen Regelung auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten aufhebt und die sachenrechtliche Zugehörigkeit des Vermögens der Ehegatten verändert oder die sachenrechtliche Zugehörigkeit, die dem Inkrafttreten der Ehe voranging, beibehält. So wird mit dem Abschluss eines Ehevertrages, falls die Ehegatten zur Regelung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse das Regime der Gütergemeinschaft ausgewählt haben, kraft Gesetzes, d. h., ohne dass es jeweils einer Übertragung durch Rechtsgeschäft bedarf, das im Laufe der Gütergemeinschaft der Ehegatten erworbene Vermögen zum gemeinschaftlichen Vermögen beider Ehegatten.  *13 Man könnte sich mit dieser Herangehensweise sogar einverstanden erklären, wenn man von der engen Auslegung des Ehevertragsbegriffs ausgeht. Denn aufgrund des neuen Familiengesetzes sollten jene mit der ehelichen Beziehung verbundenen materiellen Verpflichtungen, die nicht mit den Eigentumsbeziehungen des Vermögens verbunden sind, außerhalb des Regelungsbereiches des Ehevertrages liegen.  *14 Gleichzeitig ist zum Beispiel die im § 28 Abschnitt 2 FamG den Ehegatten mit einem Ehevertrag gegebene Möglichkeit, das Verwaltungsrecht des gemeinschaftlichen Eigentums einem Ehegatten zu übergeben, seinem Wesen nach keine sachenrechtliche Vereinbarung, sondern eine schuldrechtliche Vereinbarung (in den Eigentumsbeziehungen fanden ja keine Veränderungen statt). Das neue Familiengesetz brachte auch den Begriff der Unterhaltsvereinbarung mit sich (s. § 79 FamG), was dazu beitragen sollte, alle Anordnungen, die nicht das Sachenrecht direkt beeinflussen, aus dem Ehevertrag auszuschließen. In der Praxis werden voraussichtlich aber auch weiterhin die Vereinbarungen bezüglich des Unterhalts zusammen mit dem Ehevertrag abgeschlossen. Deshalb vertreten die Autorinnen die Meinung, dass die erwähnte Veränderung im Familiengesetz, die zu einem Abschluss mehrerer selbständiger Vereinbarungen führen sollte, nicht berechtigt ist. Auch die estnische Rechtstheorie sollte weiterhin den ausgeweiteten Begriff des Ehevertrages verwenden  *15 , gemäß dem die Ehegatten mehrere verschiedene Vereinbarungen in einem Vertrag zusammenfassen könnten. Bei der Vertragsauslegung bleiben im rechtlichen Sinne im Regelungsbereich des Ehevertrages jene Vertragsbestimmungen, die direkt die sachenrechtliche Zugehörigkeit des Vermögens der Ehegatten verändern. Diese Vereinbarungen unter den Ehegatten aber, die zwar in den Ehevertrag aufgenommen worden sind, aber an sich auch ohne die für einen Ehevertrag vorgesehene Formanforderungen gültig wären, sind zwar im rechtlichen Sinne selbständige Vereinbarungen, können aber auch in einem Ehevertrag enthalten sein. So würden die Parteien das Treffen juristisch komplizierter getrennter Vereinbarungen vermeiden können. So befand auch das estnische Staatsgericht in seiner neuesten Entscheidung Nr. 3-2-1-149-11 vom 6. Februar 2012, die den Ehevertrag behandelte, dass „das Dokument des Ehevertrages auch Vereinbarungen der Ehegatten über die vorehelichen Vermögensfragen beinhalten darf, obwohl sie laut dem Gesetz nicht den Regelungsgegenstand des Ehevertrages darstellen“  *16 . Dies unterstützt den Standpunkt der Autorinnen über die breitere Auslegung des Ehevertrages. In der erwähnten Entscheidung vertrat das Staatsgericht den Standpunkt, dass die in dem Ehevertrag vorhandene Vereinbarung vor allem als ein Schuldbekenntnis über die Verpflichtung der Vergütung der für eine unbewegliche Sache gemachten oder in der Zukunft zu entstehenden Kosten auslegbar sind.

Auch bedingte Eheverträge sollten im Allgemeinen erlaubt sein.  *17 In der oben erwähnten Entscheidung erteilte das Zivilkollegium des Staatsgerichts einem Gericht erster Instanz eine deutliche Direktive, indem es vermerkte, dass es bei der Auslegung des Vertrages wichtig sei, dass die Verpflichtung des Beklagten, Geld zu zahlen nur bei der Scheidung der Ehe oder einer Veräußerung der unbeweglichen Sache entstehen sollte, d. h. es handelte sich um eine getroffene Vereinbarung mit einer verschiebenden Bedingung. Dies verweist auf die Möglichkeit, dass auch die Kausalbeziehung derart verändert worden ist, dass die anerkannte Schuld nur im Falle der Enteignung der unbeweglichen Sache oder der Scheidung der Ehe zur Zahlung gebracht werden kann. Die Autorinnen vertreten trotzdem die Auffassung, dass Bedingungen nicht aufgrund einer anderen rechtlichen Grundlage ungültig sein können, zum Beispiel ist gemäß § 120 Abschnitt 2 des Sachenrechtsgesetzes  *18 ein Sachenrechtsvertrag über die Übergabe einer unbeweglichen Sache nichtig, der bedingt oder unter der Festlegung eines Termins abgeschlossen worden ist. Nach der Meinung der Autorinnen sollte nach dem estnischen Recht auch der Abschluss eines Vorvertrages erlaubt sein, was aber die Form eines Ehevertrages beibehalten sollte.

Die Ehegatten können während der Ehe mehrere verschiedene Verträge, die ihre güterrechtlichen Verhältnisse regeln (z. B. Arbeitsverträge, Darlehensverträge u. a.), abschließen. Zusätzlich zu den Formanforderungen, die für einen Ehevertrag verbindlich sind, hilft bei der Unterscheidung der Eheverträge von anderen Verträgen auch die Tatsache, ob die Voraussetzung des Geschäftes eine gültige Ehe ist oder nicht.  *19 Wenn die Vereinbarung unter den Ehegatten die Formanforderungen eines Ehevertrages beinhaltet, dann kann es sich auch dann um einen Ehevertrag handeln, wenn die Parteien beim Abschluss des Vertrages nicht direkt auf den Ehevertrag verwiesen. So fand das Staatsgericht in seiner Entscheidung Nr. 3-2-1-160-04 vom 2. Februar 2005  *20 bei der Auslegung eines Vertrages unter den Ehegatten, dass es möglich ist, dass die Ehegatten gleichzeitig zum Abschluss eines Kaufvertrages über eine unbewegliche Sache auch einen Ehevertrag abschlossen. Ob die in einem Kaufvertrag erhaltene Vereinbarung, ein Grundstück in Miteigentum zu erwerben, als ein Ehevertrag zu behandeln ist, hängt davon ab, ob die Vereinbarung in ihrem Grundwesen einem Ehevertrag entspricht und ob die nötigen Formanforderungen erfüllt sind.

3. Vertragsschluss

Den Ehevertrag müssen die Eheleute gemäß § 60 FamG vor einem Notar abschließen. Der Formzwang dient der Warnung der Parteien, der Beweissicherheit und zwingt sie, sich beraten zu lassen.  *21

Nach dem neuen Familienrecht ist die persönliche Anwesenheit der Parteien beim Abschluss des Ehevertrages vorgesehen (s. § 60 FamG), d. h. dass die Stellvertretung (sowohl gewillkürte als auch gesetzliche  *22 ) ausgeschlossen ist.  *23

Nach dem estnischen Recht wird man mit der Vollendung des 18. Lebensjahres voll geschäftsfähig (s. § 8 Abs. 2 das Gesetz über den Allgemeinen Teil des Zivilgesetzbuches, ZGB ATG  *24 ). Allerdings kann das Gericht nach den Vorschriften der Erweiterung der Geschäftsfähigkeit  *25 die Geschäftsfähigkeit eines mindestens 15-jährigen Minderjährigen erweitern und ihn ermächtigen diejenigen Geschäfte uneingeschränkt zu tätigen, die für die Eheschließung und Ausübung der mit der Ehe verbundenen Rechte und Pflichten notwendig sind. Insbesondere sollten es die Rechte und Pflichten sein, die gemäß §§ 15–18 FamG vorgesehen sind (Haushaltsführung, Erwerbstätigkeit, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs, aber auch die Möglichkeit, das Güterrechtsverhältnis zu wählen und den Ehevertrag zu schließen).  *26 Es könnte aber sein, dass das Gericht die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen für den Ehevertragsschluss nicht erweitert, insbesondere dann, wenn es einen Grund gibt, anzunehmen, dass der Entwicklungsstand des Minderjährigen den Abschluss eines so wichtigen Geschäftes nicht ermöglicht. Im letzten Fall bleibt nur die Möglichkeit, dass der Minderjährige für den Vertragsschluss die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters braucht (entsprechend dem § 11 ZGB ATG).  *27

4. Der Inhalt

Von einer Vertragsfreiheit (was im Allgemeinen sowohl die Freiheit ihn abzuschließen, als auch die Freiheit seinen Inhalt und seine Form frei zu gestalten bedeutet  *28 ) kann bei der Behandlung der Eheverträge nur in einem begrenzten Umfang die Rede sein. Eine Privatautonomie herrscht beim Abschließen eines Ehevertrages – es fehlt die Verpflichtung, einen Ehevertrag abzuschließen, also gilt die Freiheit einen Vertrag abzuschließen. Die Gestaltung des Vertragsinhalts ist aber vom Gesetzgeber begrenzt worden. Im Folgenden wird auf die einzelnen Begrenzungen eingegangen, die direkt aus dem Familiengesetz selbst folgen und auf die Einschränkungen, die sich nach der Meinung der Autorinnen aus den allgemeinen Prinzipien des Privatrechts ergeben.

4.1. Einschränkungen, die sich aus dem Familiengesetz ergeben

Das Familiengesetz, das vor dem 1. Juli 2010 galt, gab den Ehegatten vielseitige Möglichkeiten, um ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse untereinander mit Hilfe von Eheverträgen zu regeln. Das neue Familiengesetz legte die Güterstandsregime fest, die bezüglich der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten erlaubt sind, was wiederum die Freiheit, den Inhalt des Ehevertrages zu gestalten, wesentlich veränderte, indem es sie mit bestimmten im ehelichen Güterrecht herrschenden Arten der Güterstandsregime begrenzte. Das FamG sieht als Güterstandsregime die Gütergemeinschaft, die Zugewinngemeinschaft und die Gütertrennung vor.  *29

Gemäß § 59 FamG können die Ehegatten mit einem Ehevertrag die von ihnen bei der Heirat getroffene Auswahl oder die aufgrund des Ehevertrages gültigen vermögensrechtlichen Verhältnisse aufheben, andere im Gesetz vorgesehene vermögensrechtliche Verhältnisse einführen oder in den im Gesetz vorgesehenen Fällen die vermögensrechtlichen Verhältnisse ändern. Was der Gesetzgeber mit der Veränderung der vermögensrechtlichen Verhältnisse genau beabsichtigt hat, bleibt der Rechtsprechung überlassen. Voraussichtlich ist jegliche Veränderung der vermögensrechtlichen Verhältnisse erlaubt, womit nicht die für das zu verändernde Güterstandsregime charakteristischen imperativen Anordnungen verändert werden, d. h. die Normen, welche die Interessen von einem Ehegatten oder Dritter schützen sollen. So können beide Seiten festlegen, welche Güter unter das Anfangsvermögen oder unter den Zugewinn fallen, ob ein konkreter Gegenstand unter das Miteigentum der Ehegatten oder unter die Gütertrennung eingeordnet werden sollte; auch können sie in Fragen von Verfügungsbeschränkungen zu einem Übereinkommen gelangen, zum Beispiel vereinbaren, dass für die Veräußerung der einzelnen Vermögensgegenstände die Zustimmung der beiden Ehegatten erforderlich ist.  *30 Also dürfte es in Bezug auf die Gültigkeit des Ehevertrages nicht von Bedeutung sein, wie groß der Regulierungsbereich des von den Ehegatten gewünschten Ehevertrages ist: ob er nur einzelne Bestandteile des Vermögens oder das ganze Vermögen der Ehegatten als eine Ganzheit umfasst. Gemäß § 27 Abschnitt 4 FamG können mit einem Ehevertrag einzelne Gegenstände oder Gegenstände, die einer bestimmten Art zugeordnet werden können, unter das gemeinschaftliche Vermögen oder unter die Gütertrennung fallen. Natürlich wäre es aus der Sicht der Rechtsklarheit besser, falls der Regelungsbereich des Vertrages das gesamte den Ehegatten gehörende Vermögen umfassen würde  *31 , aber rechtsgültig sind auch Vereinbarungen, welche die rechtliche Zugehörigkeit einzelner Vermögensgegenstände regeln. Die Bestimmung der Zugehörigkeit der einzelnen Vermögensgegenstände sollte im Rahmen aller von den Ehegatten ausgewählten Güterstandsregime erlaubt sein. Da seit dem Inkrafttreten des neuen Familiengesetzes nur wenig Zeit vergangen ist, ist in der Praxis die Auffassung verbreitet, dass im Falle des Regimes der Gütertrennung in Bezug auf die einzelnen Vermögensgegenstände der Ehegatten keine Vereinbarungen mit Hilfe eines Ehevertrages über die Zugehörigkeit dieses Gegenstandes in das gemeinschaftliche Vermögen der Ehegatten getroffen werden dürfen. Solch ein Standpunkt ist laut Auffassung der Autorinnen des Artikels irreführend und rechtstheoretisch fraglich. Das gemeinschaftliche Eigentum kann laut § 70 Abs. 2 des Sachenrechtgesetzes gesamthänderisches Eigentum oder Miteigentum sein. Es widerspreche dem Wesen der Gütertrennung, die Vermögensgegenstände durch den Ehevertrag in das gesamthänderische Eigentum zu überlassen, wohl können die aber als Miteigentum bestimmt werden.

4.2. Grenzen der Vertragsfreiheit bezüglich der Scheidungsfolgen im Ehevertrags- und Scheidungsfolgenrecht

In Deutschland besteht hinsichtlich der Regelung der gesetzlichen Scheidungsfolgen wie z. B. Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt grundsätzlich Ehevertragsfreiheit.  *32

Wie schon oben erwähnt, sind auch in Estland die Normen über die güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten generell dispositiv. Neben einem Ehevertrag können die Ehegatten auch Unterhaltsverträge schließen und die Unterhaltspflicht im Prinzip anders bestimmen, als das Gesetz es vorsieht.  *33 Auch Unterhaltsverträge unterliegen der notariellen Form (s. § 78 Abs. 1 FamG). Nur für einen Unterhaltsvertrag ist im § 78 Abs. 2 FamG vorgesehen, dass eine Vereinbarung, nach der die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten ausgeschlossen oder unangemessen eingeschränkt wird, nichtig ist.

Dagegen ist nach dem alten Recht in § 9 des Familiengesetzes von 1995 vorgesehen, welchen Inhalt der Ehevertrag haben kann, d. h. worin die Ehegatten sich einigen können und worin eine Vereinbarung ausgeschlossen ist. Gemäß § 9 Abs. 2 FamG (1995) konnten die Ehegatten durch Ehevertrag das Vermögen, das ein Ehegatte von einer Dritten unentgeltlich oder von Todes wegen erwirbt, wenn die Dritte bei der Zuwendung oder der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass der Erwerb ein getrenntes Vermögen des Ehegatten bilden soll, nicht zum gemeinschaftlichen Vermögen erklären, darüber hinaus konnten die Ehegatten durch Ehevertrag nicht die gesetzliche Unterhaltspflicht des Ehegatten oder des geschiedenen Ehegatten oder das Recht das gemeinschaftliche Vermögen nach der Ehescheidung zu teilen, ausschließen.

Das bedeutet, dass es auch nach dem neuen estnischen Familienrecht in der Zukunft im größeren Umfang im Ermessen des Gerichtes liegt, wo die Grenzen der Vertragsfreiheit laufen.

Der Bundesgerichtshof in Deutschland hat im Bereich des Scheidungsfolgenrechts eine so genannte familienrechtliche Kernbereichslehre mit einer Stufenfolge entwickelt.  *34 Auf der ersten Stufe stand früher der Betreuungsunterhalt, weil er am Kindeswohl ausgerichtet sei und deswegen nicht der freien Disposition der Ehegatten unterliegen könne; jedoch war er aber nicht jeder Modifikation entzogen, z. B. wenn die Art des Berufs der Mutter es erlaubte, die Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit miteinander zu vereinbaren, ohne dass das Kind Erziehungseinbußen erlitt, oder wenn ab einem bestimmten Kindesalter zur Betreuung die Dritten hinzugezogen werden konnten.  *35

Durch das neue Unterhaltsrecht ist aber der Rahmen für ehevertragliche Vereinbarungen erweitert worden, die Kernbereichslehre tritt in den Hintergrund.  *36 Nach dem neuen Recht ist für Unterhaltsvereinbarungen eine Beurkundungspflicht vorgesehen (s. § 1585c S. 2 BGB  *37 ), mit der ausdrücklich die grundsätzliche Gestaltungs- und Vertragsfreiheit auch in diesem Bereich bestätigt wird. Darüber hinaus sieht § 1569 BGB nun den Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung ausdrücklich im Gesetz vor, die wiederum für eine größere Vertragsfreiheit spricht.  *38 Dies gebietet entsprechend dem neuen Recht auch eine zeitliche Begrenzung des Kindesbetreuungsunterhalts.  *39

Nach Langenfeld müssen alle Ansprüche, die ein Richter nach den jetzigen gesetzlichen Instrumentarien durch seine Unterhaltsentscheidung kürzen, herabsetzen oder sogar versagen kann, bei Vorliegen der entsprechenden sachlichen Voraussetzungen auch von den Ehegatten durch privatautonome ehevertragliche Gestaltung entsprechend geregelt werden können.  *40

Dabei ist aber zu beachten, dass es beim Kindesbetreuungsunterhalt auch um verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte des betroffenen Kindes geht. Der Basisunterhalt für die Mindestzeit von drei Jahren nach § 1570 Abs. 1 S 1 BGB ist unabhängig davon ausgestaltet, ob eine Versorgung des Kindes durch die Dritten möglich ist, er schließt i. d. R. eine Erwerbsobliegenheit aus.  *41

Wenn der Kindesbetreuungsunterhalt für mindestens drei Jahre in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt wird, dann hat die estnische Gerichtspraxis schon bereits während der Geltung des alten Familiengesetzes  *42 (meistens) den Müttern zugemutet, dass sie trotz der Betreuung eines unter 3-jährigen Kindes schon die Erwerbstätigkeit (vielleicht auch nur teilweise) wieder aufnehmen und nicht im vollen Umfang oder sogar gar nicht den gesetzlichen Unterhaltsanspruch durchsetzen können. Nach dem alten Gesetz konnte man gemäß § 9 Abs. 2 P 2 FamG vom 1995 ehevertraglich die gesetzliche Unterhaltspflicht nicht ausschließen. Die Regelung über den Betreuungsunterhalt (s. § 22 Abs. 2 FamG von 1995) hat nicht verlangt, dass der geschiedene Ehegatte im Falle der Betreuung eines unter 3-jährigen Kindes hilfsbedürftig sein sollte (d. h. die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten war gegeben, wenn es ein unter 3-jähriges Kind gab und der geschiedene Ehegatte finanziell in der Lage war, den Unterhalt zu gewähren). Also ist die Gerichtspraxis bei der Betonung der Eigenverantwortlichkeit des Unterhaltsberechtigten eigentlich weiter gegangen, als das Gesetz erlaubt hat. Nach dem alten Familienrecht war der Betreuungsunterhalt des geschiedenen Ehegatten für die Mindestzeit von drei Jahren stärker gewährt als nach dem neuen Recht. Ein völliger Ausschluss der Unterhaltspflicht durch Ehevertrag ist auch nach dem neuen Gesetz nichtig. Die Einschränkung der Unterhaltspflicht ist nach dem neuen Gesetz gemäß § 78 Abs. 2 FamG dagegen nur dann nicht erlaubt, wenn sie unangemessen ist. Daher ist nach dem neuen Gesetz die Vertragsfreiheit im Falle des Betreuungsunterhalts im bestimmten Umfang größer. Nach dem neuen Familiengesetz kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt verlangen, wenn er wegen der Kindesbetreuung nicht in der Lage wäre, für sich selbst zu sorgen (s. § 72 FamG).

Bei dem Unterhalt wegen des Alters oder der Krankheit sollte nach dem deutschen Recht (§§ 1571 und 1572 BGB) anstelle eines vollständigen Ausschlusses der Vertragsfreiheit in Zukunft eher eine zeitliche oder höhenmäßige Limitierung erwogen werden.  *43

Nach dem neuen estnischen Recht gilt das oben beim Betreuungsunterhalt Gesagte im Prinzip auch beim Unterhalt wegen des Alters oder der Krankheit (§ 73 FamG), d. h. der Anspruch ist nur gegeben, wenn der Ehegatte nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. Nach § 78 FamG sind Vereinbarungen auch hinsichtlich des Unterhalts wegen des Alters oder der Krankheit generell möglich, das bedeutet, dass eine zeitliche oder höhenmäßige Limitierung sollte auf jeden Fall erlaubt sein, wenn es angemessen ist, nur der vollständige Ausschluss ist nichtig.

Also sollte eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt, die sich in ausgewogener Weise um die Verwirklichung des Grundsatzes der Eigenverantwortung nach § 1569 BGB bemüht, nicht sittenwidrig sein.  *44

Nachrangig und der Disposition der Ehegatten am weitesten zugänglich soll nach dem deutschen Recht der Zugewinnausgleich sein.  *45 Er sei, auch wegen der vom Gesetz ausdrücklich zur Verfügung gestellten verschiedenen Güterstände, ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich. Denn das Eheverständnis erfordere keine bestimmte Zuordnung des Vermögenserwerbs in der Ehe. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei nicht notwendig Vermögensgemeinschaft.  *46 Anders als das Unterhaltsrecht knüpft das Güterrecht nicht an aktuelle Bedarfslagen an.  *47 Das ist aber nicht unumstritten. Nach Dethloff wird dies der Teilhabefunktion des Zugewinnausgleichs nicht gerecht.  *48

Wie weit er nach dem neuen estnischen Recht der Vertragsfreiheit unterliegen kann, ist momentan schwer zu sagen, weil es diesbezüglich noch keine Gerichtspraxis gibt.

Wie bereits erwähnt, war es nach dem alten Familiengesetz verboten, durch Ehevertrag das Recht, das gemeinschaftliche Vermögen nach der Ehescheidung zu teilen, auszuschließen. Wenn die Ehegatten Gütergemeinschaft gewählt haben, verbietet nun § 26 Abs. 1 des neuen Gesetzes es den Ehegatten während der Ehe die Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens zu verlangen.

In der Praxis aber wurde während der Geltung des alten Familiengesetzes von den Ehegatten das gemeinschaftliche Vermögen in mehreren Fällen geteilt, z. B. in den Fällen, in denen ein Ehegatte sein Teil des gemeinschaftlichen Vermögens den Kindern schenken wollte, die ehelichen Beziehungen faktisch beendet waren oder die Ehegatten die Absicht hatten, in der näheren Zukunft sich scheiden zu lassen. Auch gab es Fälle, wo ein Ehegatte das ihm gehörende Teil von dem gemeinschaftlichen Vermögen dem anderen Ehegatten schenken wollte (diese Möglichkeit war allerdings den Ehegatten gemäß § 16 des alten Gesetzes nicht vorgesehen).  *49

Nach dem alten Gesetz konnten die Ehegatten während der Ehe zwischen dem Ehevertrag und der Vereinbarung zur Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens wählen, wobei der letzteren keine Form vorgesehen war (es sei denn, die Teilung betraf ein Grundstück; in diesem Fall musste die Vereinbarung notariell beglaubigt werden). Dies führte allerdings oft in der Praxis zu Schwierigkeiten, weil ein nach solcher Vereinbarung erworbenes Vermögen wiederum zu dem gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten gehörte, außerdem konnte man so eine Vereinbarung nicht in das Güterrechtsregister eintragen.

Nach dem neuen Gesetz haben die Ehegatten nun, wenn sie in der Gütergemeinschaft leben, nur die Möglichkeit, durch einen Ehevertrag einzelne Gegenstände zum gemeinschaftlichen oder getrennten Vermögen zu erklären (s § 27 Abs. 4 FamG).

Eine andere Frage stellt sich im estnischen Recht bezüglich der Wahlfreiheit des Güterstandes nach dem neuen Gesetz. Nämlich, ob es zukünftig zu erwarten ist, dass auch die Gültigkeit der Vereinbarungen über die Wahl des Güterstandes bei der Heirat später gerichtlich überprüft werden, weil die Statistik bis jetzt gezeigt hat  *50 , dass in sehr vielen Fällen Gütertrennung gewählt wird.

Das privatautonome Handeln, das auch beim Abschluss eines Ehevertrags oder auch bei der Vereinbarung des Güterstandes bei der Heirat stattfindet, setzt eine paritätische Vertragsabschlusssituation voraus. Eine ausgeglichene Verhandlungssituation muss vor allem im Bereich ehevertraglicher Gestaltungen gewährleistet sein, da die Ehe nur als eine Beziehung gleichberechtigter Partner geschützt ist.  *51

Es könnte sein, dass es sich auch bei diesen Ehen, bei denen immer mehr Paare nach dem Inkrafttreten des neuen estnischen Familiengesetzes Gütertrennung als Güterstand wählen, nicht immer um Ehen handelt, bei denen die Parteien keinen Schutz brauchen.

Wenn man so eine Vereinbarung über die Wahl des Güterstandes bei der Eheschließung theoretisch als Ehevertrag behandelt, könnte man behaupten, dass es nach dem neuen Gesetz in Estland möglich ist, güterrechtliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten zu schließen, ohne dass die Ehegatten dabei juristischen Rat bekommen könnten (z. B. von einem Notar, der ihnen den passendsten Güterstand ausgehend von dem gelebten Ehetyp empfehlen könnte).

Nach § 37 Abs. 4 des Personenstandsgesetzes  *52 erklärt der Standesbeamte den Ehegatten bei der Wahl des Güterstandes während der Eheschließung nur die rechtliche Bedeutung der Güterstände Gütergemeinschaft, Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung. Das bedeutet, dass momentan niemand außer den Ehegatten selbst es beurteilt, welcher Güterstand bei bestimmten Ehegatten am geeignetsten sein könnte. Daher ist leider festzustellen, dass es momentan auf keinen Fall ausgeschlossen ist, dass es sich bei der Wahl des Güterstandes zu sehr um eine Vereinbarung handelt, die zum Nachteil eines Ehegatten ist und aus diesem Grund auch nichtig sein könnte.

Im deutschen Recht behauptet man dagegen, dass sich der Vertragsgestalter solange auf sicherem Boden befindet, wenn er sich an den Grundsätzen der Ehevertragsgestaltung nach Ehetypen orientiert. Wichtig wäre bestimmt im Auge zu behalten, was die Ehegatten auf dem Weg zum richtigen Recht vereinbart hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass die von ihnen vereinbarte Klausel einer richterlichen Ausübungskontrolle nicht standhält.  *53

4.3. Sittenwidrigkeit bei einem Ehevertrag

Das Staatsgericht Estlands hat vor kurzem darüber entschieden  *54 , wie eine Bestimmung im Ehevertrag auszulegen sei, die für den Fall der Ehescheidung oder des Verkaufs des Grundstückes den Ersatz der für die Erhöhung des Grundstückswertes gemachten Aufwendungen in Höhe von 500.000 Kronen vorsieht.

Das Staatsgericht ist der Meinung, dass eine Vereinbarung, die den Ehegatten zur Zahlung des Geldes nur als Ersatz für die Ehescheidung (Vertragsstrafe) verpflichten würde, nichtig wäre. Solche Vereinbarung würde die Ehescheidungsfreiheit wesentlich einschränken und wäre gemäß § 86 ZGB AGT sittenwidrig.  *55 In dem konkreten Fall hat das Staatsgericht aber diese Vereinbarung nicht als eine Vertragsstrafe ausgelegt, weil die Zahlungspflicht direkt mit dem Ersatz der für die Erhöhung des Grundstückswertes gemachten Aufwendungen verbunden war und die Gültigkeit so einer Vereinbarung deswegen nicht in Frage steht.

Auch im deutschen Recht ist man der Meinung, dass die Sittenwidrigkeit bei einem Ehevertrag daraus ergeben kann, dass ein Fall eines unmittelbar unter die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 138 Abs. 2 BGB fallenden Verhaltens vorliegt, etwa ein Ehegatte durch die vertragliche Vereinbarung nach der Art einer Vertragsstrafe von der Scheidung abgehalten werden soll.  *56 Erheblich einseitige Vertragsgestaltungen können nach Dethloff sogar zu einer faktischen Beeinträchtigung der Eheschließungs- bzw. Ehescheidungsfreiheit führen, wenn sich ein Ehepartner die Scheidung aufgrund der ehevertraglichen Lastenverteilung „nicht leisten kann“, was mit dem Art 6 I GG nicht vereinbar wäre.  *57

Nach Gernhuber/Coester-Waltjen sind Ehe und Kinder keine legitimen Objekte des Gewinnstrebens und deshalb sei jedes Rechtsgeschäft, das sie kommerzialisiert, sittenwidrig und damit nichtig.  *58

5. Fazit

Der Ehevertrag im estnischen Recht ist eine Vereinbarung, anhand welcher die Ehegatten ihre vermögensrechtlichen Beziehungen vor der Eheschließung festlegen oder im Laufe der Ehe ändern können. Der Ehevertrag wird in der estnischen Literatur als ein Verfügungsgeschäft angesehen. Die Autorinnen vertreten die Meinung, dass in Estland weiterhin der erweiterte Begriff des Ehevertrages verwendet werden sollte, gemäß dem die Ehegatten mehrere verschiedene Vereinbarungen in einem Vertrag zusammenfassen könnten.

Der Ehevertrag wird im estnischen Recht persönlich vor dem Notar geschlossen.

Es gibt keine Verpflichtung, einen Ehevertrag abzuschließen. Die Gestaltung des Vertragsinhalts ist aber vom Gesetzgeber begrenzt worden. Die Autorinnen sind der Meinung, dass es im Angesicht des Schutzes des Rechtsverkehrs auch begründet ist. Auch die Interessen der Gläubiger sind damit besser geschützt. Das neue estnische Familiengesetz begrenzt die Möglichkeit der Ehegatten ein ihnen passendes Güterstandsregime zu wählen auf drei Regime: die Gütergemeinschaft, die Zugewinngemeinschaft und die Gütertrennung. Wenn die Ehegatten bei der Heirat keine vermögensrechtlichen Verhältnisse auswählen, dann werden auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten die vermögensrechtlichen Verhältnisse einer Gütergemeinschaft angewandt.

Die Normen über die güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten sind generell dispositiv. Es liegt also auch im Ermessen des Gerichts zukünftig festzulegen, wo die Grenzen der Vertragsfreiheit beim Ehevertrag laufen.

Im Bereich des Scheidungsfolgenrechts wäre ein völliger Ausschluss der Unterhaltspflicht nach dem neuen estnischen Gesetz nichtig, die Einschränkung der Unterhaltspflicht wäre dagegen nur dann nicht erlaubt, wenn sie unangemessen wäre. Allerdings müssten nach dem Sinn des neuen Gesetzes die Vereinbarungen über den Unterhalt und den nachehelichen Unterhalt Gegenstand des gesonderten Unterhaltsvertrages sein.

Nach dem neuen Familiengesetz kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt verlangen, wenn er wegen der Kindesbetreuung nicht in der Lage wäre, für sich selbst zu sorgen und dies sogar im Falle einer Betreuung eines unter dreijährigen Kindes. Das neue Gesetzt betont also sogar bei diesem Betreuungsunterhalt die Eigenverantwortung und lässt eine größere Vertragsfreiheit zu. Dies gilt im Prinzip auch beim Unterhalt wegen des Alters oder der Krankheit (eine zeitliche oder höhenmäßige Limitierung sollte auf jeden Fall erlaubt sein, wenn es angemessen ist, nur der vollständige Ausschluss ist nichtig).

Wie weit der Ausschluss des Zugewinnausgleichs durch den Ehevertrag nach dem neuen estnischen Recht der Vertragsfreiheit unterliegen kann, ist momentan schwer zu sagen, weil es diesbezüglich noch keine Gerichtspraxis gibt.

Die Autorinnen sind der Meinung, dass auch die Gültigkeit der Vereinbarungen über die Wahl des Güterstandes bei der Heirat zukünftig gerichtlich überprüft werden könnte. Außerdem sehen die Autorinnen es kritisch, dass momentan nach dem neuen Gesetz in Estland möglich ist, güterrechtliche Vereinbarungen zwischen den Ehegatten zu schließen, ohne dass die Ehegatten dabei juristischen Rat bekommen könnten.

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pp.78-87